„Das ist das Dümmste, was man tun kann“

Datenschutzexperte Andreas Pfitzmann: Die Bundeswehr-Affäre klinge so, „als ob jemand Daten loswerden wollte“

ANDREAS PFITZMANN, Jahrgang 1958, ist Professor für Datenschutz und -sicherheit an der TU Dresden.

taz: Herr Pfitzmann, im Verteidigungsministerium wurden Geheimdaten zu Auslandseinsätzen – angeblich wegen einer Panne unlesbarer Bandkassetten – vernichtet. Wurde verantwortlich gehandelt?

Andreas Pfitzmann: Ganz sicher nicht. Erstens würde ich jeden Mitarbeiter sofort feuern, wenn er ein Back-up nur auf einem Datenträger speichert. Zweitens gilt: Wenn magnetisch gespeicherte Daten mit Standardtechnik nicht mehr rekonstruierbar sind, heißt das ja nicht, dass sie nicht mehr zu retten sind. Bänder mit Daten, für die es keinen Ersatz gibt, zu vernichten, ist wirklich das Dümmste, was man tun kann.

Ist eine Rettung streng vertraulicher Daten möglich, ohne sie preiszugeben?

Wenn man die finanziellen Möglichkeiten hat, kann man Experten bei sich unter sicheren Bedingungen Daten retten lassen, anstatt sie außer Haus zu geben. Zudem hätte ein technischer Fortschritt zu einem späteren Zeitpunkt eine Datenrettung ermöglichen können. Etwas wegzuschmeißen, ist eine endgültige Entscheidung.

Das Ministerium behauptet, streng nach Vorschrift wurden die unlesbaren Kassetten im Juli 2005 vernichtet.

Die Richtlinien wurden falsch angewendet. Wenn Sie Back-ups auf fünf Bändern haben und eines nicht mehr lesbar ist, erstellen Sie eine Kopie von einem funktionierenden Band und vernichten das kaputte Band. Dann haben Sie wieder fünf Back-ups. Geheimdienstdaten gelten übrigens als erst gelöscht, wenn sie mit einer Säure behandelt werden. Aus den Molekülen kriegen sie dann sicher nichts mehr heraus.

Das Ministerium argumentiert, am Ende habe es auch an Geldmangel gelegen.

Im Einzelfall kann es das geben, aber für mich klingt das nach einer Ausrede. Die letzte Kopie schmeiße ich doch nicht weg. Da treffen sich Missmanagement und Dummheit. Für mich als Staatsbürger klingt das eher so, als ob jemand Daten loswerden wollte.

Was muss sich nun ändern?

Personen, die für Datenverarbeitung zuständig sind, müssen besser ausgebildet werden. Sie müssen sich verantwortlich fühlen. Wer zuständig ist, muss seinem Chef in so einem Fall auf die Füße treten. Das Budget muss angemessen sein. Aber Datensicherung ist wirklich günstig geworden. Für das Geld, das ein Kampfpanzer „Leopard 2“ kostet, können Sie mehr Daten sichern, als die Bundeswehr jemals ansammeln kann.

INTERVIEW: TIMO HOFFMANN