Dem verliebten Kater blutet das Herz

Salzige Tropfen für die Spree: Rührung darf sein, wenn auf dem Märchenschiff Spree-Prinzessin Fado und portugiesische Fabeln zusammenkommen. Ein Vorgeschmack auf das größte Märchenfestival der Welt im November

Grau und verhangen ist der Himmel an diesem Morgen. Langsam ziehen die menschenleeren Ufer der Spree vorbei, Gitarrenklänge begleiten den melancholischen Fadogesang der Gruppe „Extravagante“. Stimmiger könnte das Ambiente kaum sein, mit dem das Märchenschiff seine Besucher empfängt. In der kommenden Stunde wird man sich nicht nur vom sanften Schwanken des Ausflugsdampfers wiegen, sondern von fantastischen Geschichten mit auf eine Reise nehmen lassen.

Märchen und Fabeln aus Portugal sind es in diesem Jahr, mit denen die Veranstalter vom Märchenschiff vor allem das junge Publikum verzaubern wollen. Wenn man allerdings die Erzählung vom „Gestreiften Kater und der Schwalbe Sinha“ während einer Probefahrt hörte, dann konnte man eine kleine Wette darauf abschließen, dass es die erwachsenen Begleiter der jungen Zuhörer sein werden, die sich am Ende das Wasser aus dem Augenwinkel wischen. Zwischen der kleinen Schwalbe und dem mürrischen Kater entspinnt sich – allen widrigen Umständen zum Trotz – eine zarte Liebesgeschichte. Das Glück währt aber nicht lange. Zuletzt siegt nämlich doch die Konvention: Die Schwalbe muss artgemäß die Nachtigall heiraten, und dem Kater blutet das Herz. Linderung verschafft nur eine Träne der Geliebten, die dem Zurückgelassenen auf die Brust fällt.

Märchen können manchmal verdammt nah dran sein an der Realität. Das komische Talent von Volksbühnen-Schauspieler Milan Peschel, der die musikalisch aufbereitete Geschichte gemeinsam mit Sylvia Schwarz vom Hamburger Thalia Theater erzählt, sorgt aber vermutlich dafür, dass der Spaßfaktor für die jungen Zuhörer trotz des fatalistischen Finales nicht zu kurz kommt.

Das Märchenschiff, das zum vierten Mal für eine Woche durch die Berliner Gewässer fährt – Start ist an der Anlegestelle Hansabrücke –, ist eine Auskopplung der Berliner Märchentage, die traditionell im November stattfinden. Mit ihren unzähligen Spielorten und den mehr als 1.000 Lesungen haben sie sich seit ihrem Entstehen 1990 zum größten Märchenfestival der Welt gemausert. Dass man vor ein paar Jahren auf die Idee kam, auch ein Schiff – passenderweise die „Spree-Prinzessin“ – zu einer Location für das Märchenerzählen zu machen, ist für die Initiatorin Silke Fischer ganz logisch: Märchen und Wasser, sagt sie, das sind doch die beiden Quellen unseres Lebens. Nun ja. Das klingt vielleicht ein bisschen hoch gegriffen.

Aber wer will’s jetzt so genau nehmen. Draußen fallen die ersten Tropfen, die Spree-Prinzessin tuckert an alten Backsteingebäuden und den Resten der nächtlichen Uferpartys vorbei, während man darüber nachdenkt, ob Schwalbe und Kater sich nicht vielleicht doch noch irgendwie gekriegt haben. So könnte es jetzt eigentlich noch stundenlang weitergehen.

WIEBKE POROMBKA

Das Berliner Märchenschiff fährt bis zum 29. Juni, Infos unter www.maerchenland-ev.de. Karten unter (0 30) 28 09 36 03