Abes Schachspiel mit der Steuererhöhung

JAPAN Eine vorgezogene Wahl soll Shinzo Abe stärken. Die Wahl halten viele für überflüssig

„Es darf kein Zurück in die dunklen Jahre der Deflation geben“

SHINZO ABE, MINISTERPRÄSIDENT

AUS TOKIO MARTIN FRITZ

Nach nur zwei Jahren wählt Japan vorzeitig ein neues Parlament. Der nationalkonservative Premierminister Shinzo Abe erhofft sich davon ein frisches Mandat für seine Reformen. Zudem will er seine Macht innerhalb der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) konsolidieren. Der 60-Jährige wird das Unterhaus an diesem Freitag auflösen. Die Wahl findet dann wohl am 14. Dezember statt.

Die Wähler sollen über sein Antideflationsprogramm namens Abenomics sowie die Verschiebung einer Erhöhung der Mehrwertsteuer abstimmen. Der Steuersatz wird nun erst im April 2017 auf 10 Prozent steigen, wie Abe am Dienstag verkündete, nachdem die erste Anhebung von 5 auf 8 Prozent im April eine Rezession verursacht hat.

Japan hat mit 240 Prozent des Bruttoinlandsprodukts die höchsten Schulden unter allen großen Industriestaaten. Mit der Neuwahl geht Abe zwar das Risiko ein, von den Wählern für die Flaute haftbar gemacht zu werden. Aber er will seine Wirtschaftserfolge herausstreichen.

Er habe eine Million Jobs geschaffen und die Löhne würden erstmals seit Langem steigen, erklärte der Premierminister am Dienstag in einer TV-Ansprache: „Es darf kein Zurück in die dunklen Jahre der Deflation geben“, sagte er. Vor allem ältere Japaner fürchten zwar die Rückkehr der Inflation, weil sie ihre Ersparnisse entwertet. Aber viele Wähler haben die chaotische Amtszeit der Demokratischen Partei (DPJ) zwischen 2009 und 2012 nicht vergessen und bevorzugen eine stabile LDP-Regierung mit einem klaren ökonomischen Programm.

Die Aussichten auf einen Wahlsieg für Abe gelten aber auch wegen der zersplitterten Opposition als sehr gut. Die frühere Regierungspartei DPJ ist nur noch ein Schatten ihrer selbst, die liberale „Partei für alle“ zerfällt gerade. Spekulationen zufolge könnte der Regierungschef über die Wahl auch versuchen, seinen kleinen Koalitionspartner Komeito loszuwerden. Die buddhistische Partei hat zwei von Abes Vorhaben – die Renaissance der Atomkraft und die Aufweichung des Pazifismus – stark gebremst.

Laut Blitzumfragen halten viele Japaner die Wahl für unnötig. Die LDP sprach von der „Um-Sicherzugehen“-Auflösung des Parlaments: Das Volk solle Abenomics an der Urne bestätigen. Der Volksmund hat dies bereits zur „Abenomics-Mogelei“-Auflösung verballhornt. Abe könnte daher am Ende mit einer geschrumpften Mehrheit dastehen. Aber zu einem späteren Zeitpunkt wäre für seine Siegchance das Votum womöglich schlechter. Nun erhofft er sich freie Fahrt bis 2018.