Generation Lemonbier

Rocko Schamoni liest

„Ihr hattet die Power, den Willen, den Mut, heute Abend rauszugehen. Ihr habt mehr Power als die meisten, die diesen Weg nicht gewagt haben. Dieser Applaus ist euer Applaus!“ Rocko Schamoni sitzt zwischen Bierflaschen und einem Sektkübel auf der Bühne im Festsaal Kreuzberg und flirtet sein Publikum extrem platt an. Man nimmt es ihm nicht übel, denn so ein Verhalten ist den Lesern seines Romans „Sternstunden der Bedeutungslosigkeit“ bekannt. Und gelesen haben ihn alle hier, das merkt man daran, wie sich der Saal lange vor den Pointen geräuschvoll freut. Wenn Schamonis Protagonist Michael Sonntag an die Hamburger Frauen ran will, dann packt er noch viel dreistere Plattitüden aus. Donnerstagnacht zieht es die „Überflüssigen“ Hamburgs in Schamonis Roman Richtung Kiez. Die Nächte enden nach einigen Linien Speed frühmorgens im alkoholischen Exzess.

Die, die heute durch die vermeintliche Katastrophennacht zum Festsaal gewatet sind, wirken da vergleichsweise brav. Sie stehen auf diesen Typen auf der Bühne und finden es super, dass er nicht weiterliest, bevor jede Bierflasche offen ist und die Tischkerze im Sektfußbad schwimmt. Aber sie selbst trinken lieber Clubmate oder Lemonbier, höchstens ein kleines alkoholisches Getränk, denn morgen ist Freitag und man muss früh raus.

Als die Eckkneipe an der Hamburger Stresemannstraße noch Subito hieß, waren die meisten hier für Abstürze noch zu jung. Im Buch wird der Laden Nasenbär genannt, heute heißt er tatsächlich so, und bietet – Ironie der Zeit – Artikel für Mutterglück und Kinderträume an. Fakt oder Fiktion, Wechsel der Generationen, allüberall. Ein herrlicher Abend im Zeichen der Semiautobiografie. Christine Käppeler