Schlimmstmögliches Bild

PLEITE Griechenlands Coach Claudio Ranieri muss nach dem 0:1 gegen die Färöer gehen – Catenaccio-Spezialist Giovanni Trapattoni könnte Nachfolger werden. Zudem erlebt der griechische Fußball eine Gewaltwelle

„Griechenland ist schön. Es gibt dort wunderbares Wetter, auch guten Fußball“

GIOVANNI TRAPATTONI

AUS ATHEN FERRY BATZOGLOU

Aris Jatas, noch jung, klare Stimme, stechender Blick, gilt unter den einheimischen Sportjournalisten als einer, der mit dem Mikrofon in der Hand unmittelbar nach desaströsen Niederlagen auch mit Verlierern gerne nicht gerade zimperlich umspringt.

In der Mixed-Zone des „Georgios Karaiskakis“-Stadions in Piräus bot sich Jatas am späten Freitagabend wieder einer dieser spannenden Momente. Der Verlierer hieß Claudio Ranieri, und Hunderttausende Griechen sahen und lauschten bei der Live-Übertragung des Kurzinterviews im Staatssender Nerit, was der penetrante Fragensteller Jatas dem 63-jährigen Italiener zu entlocken versuchte.

„Also, die Frage, die sich jetzt alle stellen, ist nur eine: Treten Sie zurück?“ Ranieris Miene blieb steinhart. Ganz ruhig sagte er: „Ich werde weiter mit meiner ganzen Kraft für die Nationalmannschaft arbeiten.“

Ein paar Stunden später war jedoch klar: Ranieri, der schon europäische Spitzenklubs wie den FC Chelsea trainiert hat, ist nach nur 137 Tagen als Griechen-Coach Geschichte. Die verheerende Ranieri-Bilanz zu Füßen der Akropolis: ein magerer Punkt in vier Spielen der EM-Quali-Gruppe 6, darunter drei schlimme Heimniederlagen ohne Torerfolg gegen Rumänien, Nordirland und nun eben die Färöer (0:1).

Da platzte auch Verbandschef Georgios Sarris, bis zuletzt der größte Ranieri-Befürworter in ganz Griechenland, dann doch der Kragen. Noch in der Nacht zu Samstag hatte Sarris in einer Pressemitteilung „die volle Verantwortung“ für das „katastrophale Ergebnis“ übernommen. Das „schlimmstmögliche Bild“, das die Griechen-Kicker geboten hätten, führte der merklich angeschlagene Verbandschef unverhohlen auf „die unglückliche Wahl des Trainers“ zurück.

Treffen mit Epo

Also fand auf Wunsch von Sarris ein Treffen mit Ranieri statt. Dem Vernehmen nach habe man sich dabei auch in dem heikelsten Punkt, der Höhe der fälligen Abfindung, geeinigt. Diese soll, so wird kolportiert, deutlich unter dem Betrag von 1,6 Millionen Euro liegen, der Ranieri laut dem bis 2016 laufenden Vertrag mit dem Griechischen Fußballbund (Epo) eigentlich zustünde.

Ranieri sei „bis zum Endes des Jahres 2014 beurlaubt“, wie der Epo unterdessen offiziell mitteilte. Im Testspiel der Griechen am Dienstagabend in Chania auf Kreta gegen Serbien soll Kostas Tsanas, aktuell Trainer des griechischen U19-Nationalteams, auf der Trainerbank Platz nehmen. Doch klar ist: Tsanas ist nur eine Interimslösung.

Unklarheit herrscht weiter darüber, wer auf Ranieri folgt. Eine Meldung des Kicker, wonach die Griechen die Fühler nach der Trainerlegende Giovanni Trapattoni ausgestreckt hätten, dementierte der Verband am Samstag. Auch „Trap“ hatte von dem angeblichen Interesse keinen blassen Schimmer.

Gleichwohl sagte der 75-jährige Ex-Bayern-Coach: „Natürlich würde ich nach Griechenland kommen! Griechenland ist sehr schön. Es gibt dort wunderbares Wetter, ein schönes Meer, aber auch guten Fußball. Ich kenne fast jeden Nationalspieler. Ich glaube, ihr Griechen habt noch eine Chance in der EM-Qualifikation. Steckt den Kopf nicht in den Sand!“ Das nächste Pflichtspiel der Griechen – ob mit Trap oder ohne – findet Ende März statt (in Budapest gegen Ungarn).

Attacke auf Schiri

Auch fern der Nationalmannschaft brennt in Griechenlands Profifußball derzeit der Baum – die Funktionäre werden der Gewalt im griechischen Fußball nicht Herr. Ein Unbekannter schlug am Donnerstagabend den Vizechef des Schiedsrichterausschusses, Christoforos Zografos, auf offener Straße in Athen mit einer Eisenstange nieder. Zografos erlitt eine Gehirnerschütterung, Verletzungen am Kopf und an der Hand. Das Opfer wird seither in einem Athener Krankenhaus behandelt – unter Bewachung.

In der Folge des Übergriffs ist zwischen den Klubbossen von Olympiakos Piräus und AEK Athen ein heftiger Streit entbrannt, in dem es unter anderem um Spielmanipulationen und Korruption geht. Nun wird es, wie bereits Anfang Oktober nach dem Tod eines Fans bei Ausschreitungen nach einem Drittligamatch, bis auf Weiteres keine Ligaspiele geben.