… DIE „MORGENPOST“?
: Für „Dialog“ und „Toleranz“ werben

Da geht also ein Herr Sarrazin, einst SPD-Finanzsenator von Berlin und heute Erfolgsautor eines Buchs, das muslimische MigrantInnen als Gefahr für Deutschland beschreibt, mal durch Kreuzberg spazieren. Angeblich war er vorher nie da. Dass, wie er anderswo gesagt hat, türkische und arabische EinwanderInnen außer als Obst- und Gemüsehändler und Zeuger immer weiterer „Kopftuchmädchen“ keine andere produktive Funktion hätten, wisse er, so Sarrazin, aus Statistiken. Für die sei er Fachmann, sagt der Auch-Exbanker, den seine Bank für solche Äußerungen trotzdem gefeuert hat.

Nun spaziert er also durch Kreuzberg und Neukölln, wo viele der Menschen leben, über die er sich so oft abfällig geäußert hat, und weil der Thilo Sarrazin damit so berühmt geworden ist, tut er das nicht allein, sondern begleitet von einer Kamera. Das ZDF will den historischen Spaziergang des Autors, der die sich abzeichnende Verblödung Deutschlands mit der genetischen Unterlegenheit mancher Migranten begründet, aber kein Rassist sein will, dokumentieren. Und das lohnt sich auch richtig: Auf dem Markt wird er nicht bedient, sondern beschimpft, das Gleiche im Döner-Restaurant, auch die Alevitische Gemeinde lässt ihn nicht rein (taz berichtete).

Das nimmt die Berliner Morgenpost nun zum Anlass, mehr „Toleranz“ für den armen Autor zu verlangen. In ihrer Sicht der Welt wird Thilo Sarrazin zum Opfer, sein demokratisches Recht auf Dialog verweigert, Kreuzberg zur „No-go-Area“ für ihn. Er sei „aus Kreuzberg verjagt“ worden, darf der in einem von ihm selbst verfassten Text in der Samstagsausgabe des Springer-Blatts klagen. Am Sonntag folgt ein Artikel der ihn begleitenden ZDF-Journalistin Güner Balci. Die meint: Wer Vorurteile abbauen wolle, müsse „in den Dialog“.

Nö. Niemand muss sich einen Dialog aufzwingen lassen, schon gar nicht von einem, der ihn ungefragt beleidigt hat – und ihm dann das Recht dazu abspricht, auch beleidigt zu sein. Ebensowenig muss sich eine Stadt eine „Debatte über Toleranz und Dialogfähigkeit“ aufzwingen lassen von einer Zeitung, die vorher schon weiß, wer weniger Recht(e) hat. AWI Foto: reuters