„Die Bewegung wird weiter erstarken“

Die sozialen Proteste sind im Aufwind. Das merkt auch Rainer Wendling vom Verlag Assoziation A anhand der Verkäufe in linken Buchläden. Allein das Buch „Autonome in Bewegung“ ist ihnen nach den G-8-Razzien aus den Händen gerissen worden

RAINER WENDLING, 54, arbeitet beim Verlag Assoziation A, einem der Mitbegründer der Linken Buchtage.

Interview CATHERINE KIMMLE

taz: Herr Wendling, wie geht es den linken Buchläden und Verlagen?

Rainer Wendling: Die Situation ist nach wie vor schwierig. Das liegt daran, dass unsere Lage stark von der der sozialen Bewegungen abhängt. Dabei handelt es sich um einen Austauschprozess: Wir brauchen die sozialen Bewegungen. Und die brauchen uns.

Und wie geht es den sozialen Bewegungen?

Spätestens mit den Protesten in Heiligendamm haben sie einen Auftrieb erfahren. Wir erwarten, dass diese Bewegung weiter erstarkt, und dass sich dies auch auf den linken Buchhandel positiv auswirkt.

Die Verlagsräume von Assoziation A und der Buchladen Schwarze Risse waren im Vorfeld des G-8-Gipfels durch die Bundesanwaltschaft durchsucht worden. Wie hat sich die Situation seither verändert?

Viele Interessenten haben sich in Hinblick auf die Desinformationspolitik, die im Rahmen des G-8-Gipfels betrieben wurde, daran erinnert, wie wichtig linke Verlage und linke Gegenöffentlichkeit sind. Es wurde deutlich, wie viele Falschinformationen verbreitet wurden. Insofern hoffe ich, dass Interessierte uns auch weiterhin unterstützen, indem sie ihre Bücher in linken Buchläden kaufen.

Wie waren die Reaktionen auf die Razzien?

Wir haben nach den Durchsuchungen eine Vielzahl an Solidaritätsbekundungen erhalten. Das hat uns natürlich gefreut.

Hat das Medieninteresse infolge der Razzien die Verkaufszahlen beeinflusst – etwa beim Buch „Autonome in Bewegung“, dessen Autoren im Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung standen?

Die Verkaufszahlen dieses Buches sind deutlich angestiegen. Wir hatten ja gerade eine dritte Auflage gemacht und schon Bedenken, wie die sich verkaufen wird. Dann kamen die Razzien – und das Buch ist uns regelrecht aus den Händen gerissen worden.

Also ein positiver Nebeneffekt?

Das kann man so sagen. Aber natürlich muss man auch die Repressionsseite sehen. Dass das Buch der Anlass war, eine Durchsuchung durchzuführen, war natürlich eine Grenzüberschreitung. Hier sieht man, dass die ursprünglichen bürgerlichen Verfassungsrechte immer mehr ausgehöhlt werden.

Planen Sie als Verlag in Zukunft eine Themenverlagerung oder -spezifizierung?

Der Plan ist, künftig auch Bücher zu den neuen Formen der Protestbewegung, wie man sie in Heiligendamm gesehen hat, herauszubringen. Da möchte ich aber noch nicht zu viel verraten.

Heute um 18 Uhr beginnen die 5. Linken Buchtage Berlin. Veranstaltungsort ist der Mehringhof in Kreuzberg. Bis einschließlich Sonntag präsentieren sich hier 30 linke und unabhängige Verlage mit ihren Büchern und stellen sich in Diskussionen ihrem Publikum. Der Eintritt ist frei. Informationen unter: www.linkebuchtage.de

Gibt es eine Verlagerung der linken Verlagsarbeit ins Internet? Immerhin ist der Informationsfluss hier viel schneller, möglicherweise auch unangreifbarer.

Es wird nicht der Fall sein, dass Buchtexte vermehrt im Internet zu finden sind. Die gute alte Buchproduktion ist das beste Medium, um Diskussionsinhalte zu transportieren. Aber natürlich präsentieren sich auch künftig die Verlage im Internet, denn in kleineren Städten gibt es vielfach keine linke Buchhandelsstruktur. Da ist der Zugang über das Internet ein wichtiger Zweig, um sich gegen den Konzentrationsprozess des kommerziellen Buchhandels durchzusetzen.

Können linke Verlage als kommerzielle Unternehmen denn überhaupt überleben?

Wir sind sehr stark auf ehrenamtliche Arbeit angewiesen. Auch auf Zuschüsse müssen wir oftmals zurückgreifen. Das geht aber auch anderen, größeren Verlagen, nicht anders.

Was erhofft sich der Verlag von der Teilnahme an den linken Buchtagen?

Die Veranstaltung ist ein wichtiges Forum, um sich mit den Leserinnen und Lesern auszutauschen. Wir legen großen Wert darauf, dass sich nicht nur linke Verleger unter sich treffen, sondern auch mit einem Teil ihres Publikums in Kontakt treten.