Das Phantom der Razzia

Im Zusammenhang mit Stuttgart 21 setzt man gern auf Sprachverstärker. So wird aus einer schlichten Durchsuchung halt gleich eine Razzia

Schlichtes Gemüt Ja, der Stefan Keilbach ist ein ganz ein unschuldiges Lamm. Er spielt auch gar nicht mit den Bildern, wenn er mal in Uniform, mal im Anzug und schon auch mal im Polo vor die Kameras tritt. Nein, das tut der Mann nicht. Aber mal ganz unschuldig zurückgefragt: Stammen die Pressemitteilungen seines Hauses nicht von ihm, zumindest von seiner Abteilung? Somit ist es ja auch folgerichtig, dass er verwundert sein muss, dass die Presse aus einer Mitteilung das macht, was sie gemacht hat, gell, war gar nicht kalkuliert? Und dass das so ist, erkennt man daran, dass Herr Keilbach in der Tat ein schlichtes Gemüt haben muss, denn er fragt ganz unscheinbar in die Kamera, was für ein Interesse die Polizei denn haben könne, einen zivilen Beamten auf Provokationstour zu schicken. Kommt keine Antwort? Siehste, so viel Interesse hat die Polizei daran. Ja, ganz schlichte Logik. Wirkt. MCBuhl

von Josef-Otto Freudenreich

Razzia bei S-21-Gegnern“. So lauteten die Schlagzeilen landauf, landab, von Bild bis zur Süddeutschen Zeitung. Und der Betrachter wunderte sich. Eine Razzia, so liest man im Lexikon, sei eine planmäßig vorbereitete, innerhalb einer schlagartig abgesperrten Örtlichkeit durchgeführte Suche nach Personen oder Sachen. Unter anderem zum Zwecke der Gefahrenabwehr.

Was also hatten die Parkschützer zu verbergen? Geheime Dossiers, schwarze Kassen, Pflastersteine? Nichts davon. Es ging um ein paar Videos, die den Angriff auf den Polizisten am Montag, 20. Juni 2011 zeigen. Weil die Parkschützer, die wechselweise als radikal oder sogenannt bezeichnet werden, von öffentlichem Interesse sind, muss auch die Öffentlichkeit darüber informiert werden. Und das geht so an diesem 7. Juli 2011:

Um 8.15 Uhr sendet das Polizeipräsidium Stuttgart eine Mitteilung aus, in der es kundtut, dass Beamte der Kripo und die Staatsanwaltschaft „zur Stunde“ die Büroräume der Parkschützer sowie die Privatwohnung ihres Sprechers „durchsuchen“. Es gelte, das Filmmaterial zu sichern, das Matthias von Herrmann bis heute nicht freiwillig zur Verfügung gestellt habe. Wie inzwischen bekannt, hat die Durchsuchung der Privatwohnung nicht geklappt, weil von Herrmann aushäusig schlief. Die Übergabe fand dann in den Büroräumen der Parkschützer statt, in relativ friedlicher Atmosphäre, wie auch das Foto in der Bild-Zeitung ausweist, die wohl eher zufällig an das optische Dokument gelangte.

Um 9.08 Uhr meldet die Nachrichtenagentur dpa den Vorgang. Als Grundlage dient die Polizeimitteilung, womit zumindest gewährleistet ist, dass noch von einer „Durchsuchung“ die Rede ist. Außerdem darf sich auch von Herrmann äußern, der den Vorwurf, er wolle das Material nicht freiwillig herausrücken, energisch zurückweist.

Um 14.59 Uhr schiebt die Polizei eine zweite Pressemeldung nach, in der sie, semantisch fein ausgedrückt, von einem Durchsuchungsbeschluss spricht, der „vollzogen“ worden sei. Erst angesichts der „drohenden“ umfangreichen Durchsuchungsmaßnahmen sei von Herrmann bereit gewesen, die gesuchten Aufnahmen herauszugeben.

Parkschützer bewerten Einsatz als „Affentheater“

Um 18.00 Uhr formuliert die dpa in ihrer Tageszusammenfassung („Polizei geht gegen Stuttgart-21-Gegner vor“) noch weicher. Von Herrmann habe den Beamten das Beweismaterial zur Verfügung gestellt, berichtet die Agentur – „und verhinderte somit eine Durchsuchung“. Auch die Parkschützer kommen noch mal zu Wort, bewerten den Einsatz als „Affentheater“.

Was war das also? Für Polizeisprecher Stefan Keilbach ist es auch heute noch eine Durchsuchung, „weil es einen Durchsuchungsbeschluss gab“. Aber war es auch eine „Razzia“? Nie und nimmer, sagt Keilbach, das sei ja „furchtbar“, was daraus gemacht worden sei. Es sei eine „völlig falsche“ Darstellung dessen, was wirklich geschehen sei.