Schlachtsklaven

FLEISCHINDUSTRIE Sie kommen aus Osteuropa, verdienen wenig und wohnen teuer: die Werkarbeiter in Niedersachsens Schlachthöfen tragen dazu bei, dass Deutschland zu einem wichtigen Fleischexporteur geworden ist. Eine Fahrt zu den Unterkünften in Quakenbrück und im Kreis Cloppenburg ➤Schwerpunkt SEITE 44, 45

VON JAKOB EPLER

Die Qual der Tiere in den Schlachthöfen ist unzählige Male dokumentiert worden. Die Fleischindustrie hat aber auch die Verwertung von Arbeitskraft perfektioniert. Kaum eine andere Branche setzt so konsequent auf Beschäftigungsmodelle, die die totale Ausbeutung garantieren.

Es gibt in Deutschland keinen großen Schlachthof, der noch ohne Subunternehmer auskommt. Sie beschäftigen meistens Menschen aus Osteuropa, die als sogenannte Werkarbeiter befristete Verträge haben und schlecht bezahlt werden. Vom ohnehin spärlichen Nettolohn nehmen die Subunternehmer ihnen dann mit Tricks auch gleich noch ein paar hundert Euro weg.

Ein solcher Trick ist die Anmietung schäbiger, teils krank machender Massenunterkünfte, in denen die Arbeiter für hohe Mieten wohnen müssen. Nachdem diese Unterkünfte im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen geraten waren, fuhr Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil durch die ländlichen Gegenden seines Bundeslandes. Was er sah, war haarsträubend.

Seitdem ist einiges passiert in der Fleischbranche. Anfang dieses Jahres wurde in Niedersachsen eine Verordnung erlassen, die Mindeststandards für die Unterbringung von Werkarbeitern festlegt. Sie regelt unter anderem, dass ein Arbeiter sechs Quadratmeter zum Leben braucht. Luxus geht anders, aber besser als vorher ist es allemal. Immerhin gibt es jetzt konkrete Regelungen, auf die sich im Zweifelsfall berufen werden kann.

Seit August gibt es außerdem branchenweit einen Mindestlohn: 7,75 Euro. Ist die Branche damit ein Vorreiter? Ja, aber sie schafft es dadurch auch, dem bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, der ab kommendem Jahr fällig wird, noch ein wenig auszuweichen.

Trotzdem ist Skepsis angebracht. „Es wird sich nicht ändern“, sagt der SPD-Kreistagsabgeordnete Detlef Kolde, der die Fleischbranche in Norddeutschland seit mehr als einem Jahrzehnt beobachtet. Gerhard Bosch, der in Duisburg Professor für Arbeitssoziologie ist, hält zwar den Mindestlohn für einen wichtigen Schritt, kritisiert aber, dass das Mindestlohngesetz die Mietkosten nicht begrenzt. Außerdem stehe zu befürchten, dass weiterhin mit den Aufzeichnungen der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden getrickst werde.

Dass das tatsächlich passiert, lässt ein Besuch bei rumänischen Werkarbeitern vermuten. „Deutschland ist das Dumpingparadies Europas“, sagt Gerhard Bosch. Das will sich niemand von ein paar Regeln kaputt machen lassen.