Auf Augenhöhe mit den Kirchen

Gesetzlich verankerte Rechte und gesicherte Fördergelder: Die Stadt Hamburg schließt einen Staatsvertrag mit den jüdischen Gemeinden, der ihr Verhältnis erstmals präzise definiert

VON MART-JAN KNOCHE

Feierlich setzen Ole von Beust und Andreas C. Wankum ihre Namenszüge unter das Vertragswerk. Im repräsentativen Phönixsaal des Rathauses besiegelten Hamburgs Erster Bürgermeister und der Vorsitzende der orthodoxen jüdischen Gemeinde gestern ein neues Verhältnis zwischen der Stadt und ihren Einwohnern jüdischen Glaubens. Geschlossen haben beide einen Staatsvertrag, durch den die Gemeinde einen rechtlichen Status erhält, wie ihn die christlichen Kirchen genießen – ein Staatsvertrag, den es seit Ende des Zweiten Weltkrieges in diesem Umfang nicht gegeben hat.

„Bisher unterlagen die Zuwendungen von Seiten der Stadt einer gewissen Willkürlichkeit“, sagte von Beust in seiner Festrede. Denn Leistungsverträge regelten, mit wie viel Geld die jüdische Gemeindearbeit finanziell unterstützt wurde. 358.000 Euro jährlich bekam sie seit der letzten Vereinbarung von 1998. Nun werden es – rückwirkend zum Januar 2007 – 850.000 Euro sein, die die rund 5.000 Mitglieder zählende Gemeinschaft vom Senat bekommt.

Dass er aber eben kein reiner Leistungsvertrag sei, sondern einem Kirchenstaatsvertrag gleichkomme und „uns auf eine Augenhöhe mit unserer Tochterreligion stellt“, sagte Wankum, „das ist das Besondere.“ Für ihn sei dies ein „historischer Moment“, denn schließlich sei „Hamburg ja einstmals das Jerusalem des Nordens gewesen“. Zusammen mit dem neuen Gemeindezentrum, das soeben in der sanierten Talmud-Tora-Schule am Grindelhof bezogen wurde, seien jetzt die Grundlagen für eine langfristige jüdische Kulturarbeit gegeben, sagte Wankum.

Die bereits 2005 mit der katholischen und evangelischen Kirche geschlossenen Verträge dienten dem Senat als Vorbild. Die Freiheit, den jüdischen Glauben ausüben und als Gemeinde karikativ wirken zu können, sollen in der Hamburger Verfassung verankert werden, jüdische Feiertage gesetzlich geschützt und Religionsunterricht, Seelsorge und Friedhofsunterhalt in einen rechtlichen Rahmen gegossen.

Auch der Landesverband der liberalen Juden zeigte sich gestern über das Ergebnis der seit September andauernden Verhandlungen hoch erfreut. „Die Vereinbarungen mit der Stadt sichern unsere Existenz auf Dauer“, sagte Felix Epstein, der Vorsitzende der Union progressiver Juden in Hamburg. „Die Kooperation mit der orthodoxen jüdischen Gemeinde ist eine schöne Erfahrung gewesen.“ Für die liberale Gemeinschaft war die Einbeziehung in einen Vertrag mit der Stadt eine Premiere. Sie existiert seit August 2004 und hat etwa einhundert Mitglieder. Zehn Prozent der städtischen Summe fließen an sie. Auf Bundesebene waren orthodoxen und progressive Verbände in der Vergangenheit auch schon mal in Streit geraten, wenn die Verteilung staatlicher Fördermittel anstand.

Im Zentralrat der Juden in Berlin teile man die große Freude über den Abschluss durch Bürgermeister von Beust, sagte Stephan Kramer der taz. Der Generalsekretär des Zentralrats deutete den Hamburger Vertrag als „deutliches Signal für die finanzielle Sicherung des jüdischen Lebens in der Stadt.“ Hamburg reihe sich in vorbildlicher Weise in jene Bundesländer ein, die jüdische Gemeinden nicht nur gerade noch am Leben erhalten würden, sagte Kramer.

Mit der muslimischen Gemeinde verhandelt der Senat derzeit noch, um zu ähnlichen Vereinbarungen zu kommen.