Karsai-Bruder kaltblütig gekillt

AFGHANISTAN Ahmed Wali Karsai galt als Kriegsfürst, der auch in Drogengeschäfte und Korruption verwickelt war. Für den Präsidenten war er eine unersetzliche Stütze

Der Mord sei „ein großer Verlust für den Präsidenten“, twitterte Saad Mohseni

VON AGNES TANDLER

DUBAI taz | Der mächtige Halbbruder von Afghanistans Präsident Hamid Karsai ist am Dienstag in seinem Haus in Kandahar erschossen worden. Ein Sprecher des Präsidenten bestätigte den Tod des 50-Jährigen. Ahmed Wali Karsai war der Blitzableiter für alle Kritik an der Regierung seines Bruders und wurde im Westen zu einem Symbol für alles, was in Afghanistan schieflief. Der Kriegsfürst wurde immer wieder mit Drogengeschäften und Korruption in Verbindung gebracht. Präsident Karsai nahm seinen kleinen Bruder jedoch stets in Schutz. Wali Karsai, der eng mit den USA zusammenarbeitete und dessen berüchtigte Privatarmee Kandahar Strike Force von der Nato mitfinanziert wurde, hatte bereits 2009 einen Anschlag überlebt.

Formal war Wali Karsai lediglich Chef des Provinzrats von Kandahar, doch de facto war er einer der einflussreichsten Männer Afghanistans, der von westlichen Botschaftern und Nato-Generälen umworben wurde. Seine Rolle war es, Kandahar, die zweitgrößte Stadt Afghanistans, unter Kontrolle zu halten.

Wali Karsai wurde am Dienstagmorgen offenbar von einem engen Familienfreund erschossen, der ihn besuchte. Ob der Täter auch für die Sicherheit von Karsai verantwortlich war, ist unklar. Die Taliban bekannten sich umgehend zu dem Mord und feierten ihn als „einen unserer größten Erfolge“. Es gibt allerdings kaum einen Anschlag in Afghanistan, mit dem die Aufständischen sich nicht brüsten würden. Andere Beobachter sehen eher persönliche Rachemotive als Grund für den Mord.

Fest steht, dass Wali Karsai viele Feinde hatte, die ihm nach dem Leben trachteten. Sogar die USA warnten den Politiker einmal, dass sie ihn töten könnten, falls er den Taliban Hilfe gewähre. Im März 2010 zitierte Reuters einen ungenannten hohen US-Militär: „Wir würden lieber nicht so einen Mann wie ihn dort haben, weil er so stark polarisiert. Doch wir können nichts machen, solange wir ihm nicht eine Verbindung zu den Aufständischen nachweisen können.“

Wali Karsai war zuletzt immer stärker zu einer Belastung für die Regierung seines Bruders Hamid geworden. In den letzten zwei Jahren sickerten mehr und mehr Details über seine Verstrickung in das Drogengeschäft durch. Das Weiße Haus in Washington soll versucht haben, Präsident Karsai davon zu überzeugen, seinen Halbbruder fallen zu lassen. Doch der Regierungschef wusste nur zu gut, dass er ohne seinen starken Mann in Kandahar nicht auskommen würde. Als einer der Führer des einflussreichen Popalzai-Clans spielte er eine wichtige Rolle, die Stellung der Karsai-Familie bei den Paschtunen zu festigen, die den Süden Afghanistans beherrschen. Auch die Talibankämpfer rekrutieren sich aus dieser Volksgruppe. Wali Karais Einfluss im Süden brachte seinem Bruder 2009 den nötigen Rückhalt für die Wiederwahl als Präsident ein.

Der Mord sei „ein großer Verlust für den Präsidenten“, schrieb Saad Mohseni, der Direktor des afghanischen TV-Senders Tolo auf Twitter. Präsident Karsai gab sich fatalistisch. „Dies ist das Leben für die Menschen in Afghanistan,“ sagte er.