Immer weiter im Trott

DANACH Silvia Neid sieht nach dem Viertelfinal-Aus der DFB-Elf keinen Handlungsbedarf. Fußball-Chef Theo Zwanziger unterstützt die Bundestrainerin in ihrer Sicht der Dinge. Zu Recht?

„Es gibt keine bessere Trainerin, ich würde den Vertrag mit ihr noch weiter verlängern“

THEO ZWANZIGER, DFB-CHEF, ÜBER SILVIA NEID

AUS WOLFSBURG JOHANNES KOPP

Gefühlsleere lässt sich schwer beschreiben. Simone Laudehr konnte es direkt nach dem Spiel am besten. Statt zu antworten, stellte sie eine Gegenfrage: „Was soll ich denn morgen machen? Jetzt mal ehrlich?“ Mit diesem Schreckensszenario waren alle überfordert: An ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Turnier hatte niemand je einen Gedanken verschwendet. Das Erfolgsdrehbuch hatten die Marketingstrategen dieser WM ja bereits vorher geschrieben. Mit Tränen in den Augen, berichtete die Bundestrainerin Silvia Neid, hätten sich die Nationalspielerinnen am Sonntagmorgen voneinander verabschiedet. Der Schock über die 0:1-Niederlage im Viertelfinale gegen Japan sitzt allen tief in den Gliedern.

Auch Neid, die direkt nach dem Spiel recht kontrolliert ihre Statements abgab, das eigene Team lobte, dem Gegner gratulierte, wirkte gute 12 Stunden später wie ferngesteuert. Ihr Blick war müde, ihrer Stimme fehlte die Kraft. Wenig überzeugend versuchte sie den insgesamt sehr enttäuschenden Turnierauftritt des großen Titelfavoriten schönzureden. Drei Monate Vorbereitungszeit hatte sie sich ausbedungen, um aus 21 Spielerinnen ein funktionierendes Ensemble zu formen. Am Samstag hatte man eher den Eindruck, sie leite einen Hühnerhaufen. Neid hat aber einen ganz anderen Blick auf das Geschehen. In ihrem WM-Rückblick bezeichnete sie Kanada (punktlos ausgeschieden) als „sehr, sehr schweren Gegner“, das zweite Spiel gegen Nigeria hätte wegen der Härte ja eh nicht viel mit Fußball zu tun gehabt, gegen Frankreich sei man „ins Rollen gekommen“, Japan wäre ein Duell auf Augenhöhe gewesen.

Und ihr Ausblick fiel seltsam unaufgeregt aus. Zur Bedeutung der durch das frühzeitige WM-Aus verpassten Qualifikation für die Olympischen Spiele 2012 sagte sie: „Jetzt können wir uns anderthalb Jahre auf die EM vorbereiten. Ich glaube nicht, dass es der Entwicklung des Frauenfußball schaden wird, wenn wir bei Olympia nicht dabei sind.“ Einen Neuaufbau des Teams halte sie angesichts des Kader-Durchschnittsalters von gut 25 Jahren für nicht erforderlich. Und zu potenziellen Kandidatinnen für die Zukunft fiel ihr genau ein Name ein: Jennifer Marozsán aus Frankfurt.

„Weiter so“, das ist Neids Botschaft. Das kam dann doch etwas überraschend. „Weiter so“, das war bereits vor der WM die Zukunftsparole, die Theo Zwanziger, der Präsident des DFB, ausgab. Bis 2016 verlängerte er da demonstrativ den Vertrag mit Neid. Und als er nach dem 0:1 gegen Japan gefragt wurde, ob er das nun bereue, lachte er lauthals auf, als ob er eine solch tollkühne Frage noch nie in seinem Leben vernommen hätte. Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, erklärte er: „Es gibt keine bessere Trainerin, ich würde den Vertrag mit ihr noch weiter verlängern.“

Nach Definition des DFB gelten die Entscheidungen von Neid als unfehlbar. Kein Wunder also, dass die 47-Jährige eine gewisse Kritikresistenz aufweist. Aber in den vergangenen beiden Wochen haben sich Ungereimtheiten aufgetan. Insbesondere wie Neid mit der Personalie Birgit Prinz umgegangen ist, wirft Fragen auf. Auch im letzten Spiel sah sie von einer Einwechslung ihrer Spielführerin ab. Ihre etwas merkwürdige Begründung: „Birgit Prinz ist keine Einwechselspielerin.“ Der Frage, ob denn das Verhältnis zwischen den beiden zerrüttet sei, wich sie aus. Aber auch im Falle der Ausnahmespielerin Fatmire Bajramaj gerät die Personalführung von Neid ins Zwielicht. Nicht vorsätzlich, aber mit gehörigem Ungeschick unterminierte sie das Selbstbewusstsein der Kickerin.

Es gäbe gewiss einiges aufzuarbeiten in den nächsten Wochen. Dass das beim DFB geschehen wird, darf bezweifelt werden. Bei den Hütern des deutschen Frauenfußballs ist Harmonie nach wie vor das oberste Gebot. Und gerade weil mit dem Ausscheiden die Vermarktungschancen dieses Sports hierzulande einen herben Rückschlag erlitten haben, beschwor am Sonntag Doris Fitschen, die Managerin des Nationalteams, die gute WM-Stimmung, die weiter hochgehalten werden müsse. Sie sagte: „Ich hoffe, dass sie die WM weiter feiern und wir ein tolles Fußballfest erleben.“ Man habe viele Menschen für den Frauenfußball begeistern können. Negativschlagzeilen? Unerwünscht.