Nägel

Was gibt es, in der Zeit ohne Ligafußball, Schöneres als die Befassung mit dem weiten Feld der Sportverletzungen? Eben.

Vergangenes Jahr wanderte ich von einem auf 6.400 Meter hoch gelegenen Lager hinunter in eines auf 5.000 Metern. Ich hatte prima neue Bergschuhe an: leicht, guter Halt, griffig. Nur: eine halbe Nummer zu klein. Beim Hochgehen hatte ich nichts gemerkt. Runter schon.

Ständig mit den Zehen vorne anstoßend, hatte ich das Gefühl, als würde sich Schicht für Schicht des Nagels ablösen. Ich versuchte, die Zehen in den Stiefeln zu krümmen, damit sie nicht vorne anklopften. Ich überlegte, ob ich sie mir mal angucken soll. Aber dazu hätte ich Stiefel und Strümpfe ausziehen müssen. Und was hätte es gebracht? Gab ja eh keinen Schuhladen am Weg.

Es war nicht zu verhindern, ich konnte die Füße nicht so hoch heben: Jedes Mal, wenn ich gegen einen Stein stieß, fühlte es sich an, als ob mir jemand ein Stück Holz unter den Zehnagel rammte und wieder rauszog.

Nach acht Stunden taten meine Zehen mörderisch weh und waren doch irgendwie taub. Ich schlurfte auf den Zeltplatz, haute mir in kurzem Abstand noch mal den linken und den rechten Zeh an. Bumm, bumm, Trommelschlag, große Oper, Ende, alle Helden tot. Nachts im Zelt schaute ich mir die Bescherung an, war aber so müde, dass es mir egal war.

Zwei Monate später fielen die blau verfärbten Zehennägel dann ab – und das Gefühl kehrte in die Zehen zurück. Alles wegen zu kleiner Schuhe.  ROR