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: MARTIN TEIGELER über ein nicht kaputt zu kriegendes Rathaus

Vor genau zwei Jahren hatte sich bei einem Bürgerentscheid in Ratingen eine satte Abstimmungsmehrheit gegen den Abriss und für die Sanierung des Rathauses ausgesprochen. Trotz des klaren Votums fordert die Ratsmehrheit aus SPD, CDU und der CDU-Abspaltung „Bürger-Union“ seither einen Neubau. Am Sonntag soll ein neuer Bürgerentscheid den Ratinger Volkswillen unterstreichen.

Ein Plattenbau aus den Siebzigerjahren mobilisiert die Bürgerinnen und Bürger in Ratingen. Bereits zum zweiten Mal sollen sie am morgigen Sonntag darüber abstimmen, ob ihr Rathaus abgerissen oder saniert werden soll. „Die Bürger werden wieder gegen einen Neubau stimmen, auch weil sie der Verwaltung eins auswischen wollen“, sagt Abrissgegner Manfred Evers, Stadtrat der Ratinger Oppositionspartei Die Linke.

Der Rathausbau zu Ratingen spaltet die rheinisch-bergische Kleinstadt nicht zum ersten Mal. Kommunalpolitiker und Bürger streiten seit Jahren, ob das erste Gebäude der 90.000-Einwohner-Stadt modernisiert oder abgerissen werden soll. Das rund 30 Jahre alte Hochhaus gilt nicht als bauliches Meisterwerk, aber ob man es in Zeiten knapper Kassen teuer abreißen sollte? Es sei ein Musterbeispiel für die Architektur der siebziger Jahre, sagen die einen. Genau darum müsse es weg, erwidern die anderen. Ein Neubau des Rathauses würde gut 26 Millionen Euro kosten, eine Sanierung gut 22 Millionen Euro.

Im Juli 2005 hatten 67,4 Prozent der Abstimmenden in einem Bürgerentscheid gegen den Abriss des Rathauses votiert. Eine aufgrund der Asbestbelastung notwendige Sanierung wurde aber bis heute nicht durchgeführt. Vielmehr fordert eine Ratsmehrheit aus Christ- und Sozialdemokraten sowie der CDU-Abspaltung „Bürger-Union“ wieder einen Neubau. „Die Stadtspitze hat nie ernsthaft eine Sanierung in Betracht gezogen“, kritisiert Sanierungsbefürworter Evers. Der Sozialist kämpft seit Jahren gegen einen Neubau. Aus Kostengründen und weil er gegen „Wegwerf-Politik“ ist.

Gemeinsam mit FDP und Grünen forderte Evers die Stadt auf, sich an den Bürgerentscheid von 2005 zu halten. Für derartige Abstimmungen gilt in Nordrhein-Westfalen eine Bindungswirkung von zwei Jahren. Soll ein Bürgerentscheid in diesem Zeitraum aufgehoben werden, kann dies nur durch einen neuen Bürgerentscheid geschehen. „Um einen erneuten Bürgerentscheid zu vermeiden, hat die Stadt behauptet, dass der Bürgerentscheid aus dem Jahr 2005 nicht verbindlich sei“, berichtet Daniel Schily vom Verein „Mehr Demokratie“ über diesen „besonders traurigen Fall“ von Missachtung eines Bürgerentscheids. Die Initiative mit Sitz in Bonn setzte sich dafür ein, dass die Kommune den Bürgerentscheid akzeptiert und nicht einfach per Ratsbeschluss kippt; nur eine neue Abstimmung könne den demokratischen Willen der Stimmberechtigten umdrehen. Auch auf Druck des Landrats muss nun neu abgestimmt werden. „Es ist gut, dass eine erneute Entscheidung über das Rathaus nicht über die Köpfe der Bürger hinweg getroffen wird“, sagt Daniel Schily.

Bürgermeister Harald Birkenkamp von der Surrogat-CDU „Bürger-Union“ appelliert nun an die 74.000 Wahlberechtigten: „Bitte stimmen Sie ab. Nur mit einer hohen Beteiligung erhalten wir eine verbindliche Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger und ein repräsentatives Meinungsbild.“ Falls die Ratinger erneut gegen den Abriss votieren, dürften einige Lokalpolitiker entnervt zusammenbrechen.