Der steinige Weg zu einer Arbeitsstelle

Schwarzafrikanische Flüchtlinge haben wenig Chancen, von der neuen Bleiberechtsregelung zu profitieren. Denn kaum jemand will sie anstellen

VON TIM ZÜLCH

Ein schnörkelloser Saal im Rathaus Wedding. Etwa 150 Menschen lauschen, aufgeteilt in kleine Gruppen, angestrengt den Übersetzern. Russisch, Englisch, Serbisch und Türkisch ist bei der Informationsveranstaltung zu hören. Alle hier hoffen auf eine neue Zukunft in Deutschland. Eine Zukunft mit Arbeitserlaubnis und langfristiger Perspektive. Diese Zukunft scheint in dem, was Rechtsanwalt Ronald Reimann vorträgt, verborgen. Doch die Erläuterungen zu verstehen, bereitet den meisten Probleme. Von Ausschlussgründen, Friktionsbescheinigungen und Lebensunterhaltssicherung berichtet der Anwalt.

Menschen, die sich seit mindestens acht Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhalten und „ausreisepflichtig“ sind, das heißt nur eine Duldung besitzen, können in den Genuss der Bleiberechtsregelung kommen. Voraussetzung ist allerdings eine Arbeitsstelle, die ihnen mindestens den Hartz-IV-Satz als Einkommen beschert. Rund 4.000 Menschen seien in Berlin berechtigt, einen Antrag zu stellen, ermittelte der Flüchtlingsrat Berlin, der auch die Veranstaltung im Wedding mitorganisiert hat.

„Ich habe schon rund 100 Bewerbungen geschrieben“, sagt Nunes Domingo. Der 23-Jährige kommt aus Angola, vor neun Jahren floh er nach Deutschland ohne Eltern. Deutsch spricht er fast perfekt. Seit März habe er eine Bescheinigung der Ausländerbehörde, mit der er sich endlich Arbeit suchen dürfe, doch gefunden habe er bisher nichts, sagt er. „Fast überall“ habe er sich beworben, „in Hotels, bei Reinigungsfirmen, im Krankenhaus“. Keine Vorzeigejobs, aber die Arbeitgeber seien sehr reserviert gegen Schwarzafrikaner. Nur zwei oder drei hätten sich überhaupt zurückgemeldet. „Ich habe erklärt, was passiert, wenn ich keine Arbeit finde, aber es hat nichts genützt.“

Wenn die Bewerber bis Ende September keine Arbeit gefunden haben, droht ihnen die Abschiebung. Nunes Domingo lächelt, versucht entspannt zu wirken, sagt Sätze wie „die Hoffnung stirbt zuletzt“. Doch noch letzten Monat ging es ihm sehr schlecht. „Ich hatte Angst, zu Hause zu bleiben und depressiv zu werden.“ Jetzt spielt er Fußball und engagiert sich in der Initiative „Jugend ohne Grenzen“.

Walid Chahrour vom Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge (BBZ) kennt Domingo seit vielen Jahren. Für Menschen wie ihn sieht er wenig Chancen, eine Arbeit zu finden. „Für türkische Menschen gibt es wenigstens eine Community, wo sie vielleicht unterkommen können, für Afrikaner gibt es das in der Regel nicht.“ Viele Anträge auf Bleiberecht lägen seit Monaten unbearbeitet auf den Schreibtischen der Behörden, erklärt er. Während in Berlin nach offiziellen Angaben 2.336 Menschen bis April Anträge gestellt hätten, seien nur 172 Arbeitserlaubnisse erteilt worden. „Das sind traurige Zahlen“, resümiert Chahrour. Auch für hochqualifizierte Afrikaner gibt es unüberschreitbare Hürden. François Ndongo ist Arzt. Er hat in Minsk studiert und ist Anfang der 90er-Jahre nach Berlin gekommen. Doch ein Gesetz von 1922 macht ihm die Berufsausübung hier unmöglich: Sein Abschluss wird nicht anerkannt. „Wenn die Ärztekammer mir keine Berufserlaubnis gibt, habe ich keine Chance. Jetzt habe ihm das Jobcenter geraten, er solle sich doch nach einer Stelle als Putzkraft umsehen, da gebe es mehr Chancen.

Leider seien auch die Arbeitgeber schlecht informiert, klagt Walid Chahrour. So forderten einige erst eine Arbeitserlaubnis, bevor sie ein Jobangebot unterbreiten. Doch da beiße sich die Katze in den Schwanz: Die bekämen die BewerberInnen von der Arbeitsagentur nur bei nachgewiesener Arbeitsstelle. Immerhin gebe es auch Lichtblicke: Vivantes bilde jetzt Flüchtlings-Jugendliche aus, auch von der BVG und der Deutschen Bahn kämen positive Signale.

Von der Infoveranstaltung im Wedding, die der Flüchtlingsrat organisiert hat, sind die Ersten bereits gegangen. Ihre Fragen konnten geklärt werden. Bei der Frage nach seinen Träumen, zögert Nunes Domingo, schaut verständnislos. „Ich will nur meinen Lebensunterhalt verdienen und ein bisschen Sicherheit“, sagt er. Ob er einen Traumberuf habe? „Nee!“, er schüttelt den Kopf, „die ich kannte, die einen Traumberuf hatten, sind jetzt in einer Reinigungsfirma.“