KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE
: Röslers Traum von der Steuersenkung

Die Pläne der FDP dürften an den Machtverhältnissen und der Realität scheitern

Philipp Rösler kann im Moment vor Kraft kaum laufen. Er lobt täglich die kluge Entscheidung der Koalition, nun doch die Steuern zu senken. Er preist die ökonomische Vernunft dieser Idee. Er stichelt gegen den Bundesfinanzminister, der lieber den Haushalt konsolidieren würde. Rösler sieht sich als Sieger, denn er hat, wie er meint, „geliefert“.

Wie kommt der FDP-Vorsitzende nur auf diese Idee? Wovon Rösler sich jetzt die Rettung seiner Partei aus dem Umfrageloch erhofft, das kann sich schnell ins Gegenteil verkehren: in eine desaströse Niederlage für die Freidemokraten.

Schon der Start des Projekts riecht danach. Deutet man den von der Koalition vereinbarten Dreiklang – Steuersenkungen, weniger Sozialbeiträge, weg mit der kalten Progression – richtig, dann hat sich die Union durchgesetzt. Sie hat darauf bestanden, dass neben Nachlässen bei Steuern auch solche bei Sozialbeiträgen stehen. Die aber kommen vor allem Niedrigverdienern zugute, weil diese meist überhaupt keine Steuern zahlen, aber unter den Sozialabgaben leiden. Für die FDP ist das eine Ohrfeige. Denn der Niedrigverdiener ist ihr herzlich egal – und die FDP dem Niedrigverdiener auch.

Ferner dürften die vollmundig versprochenen Steuersenkungen in den Verhandlungen mit den Bundesländern noch kräftig geschreddert werden. Ohne Mehrheit im Bundesrat kann Schwarz-Gelb die Gutverdiener niemals so beschenken, wie es die FDP gern hätte – wofür man den Föderalismus preisen muss. SPD-Ministerpräsident Kurt Beck wirbt jetzt auch noch für eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, selbst manche Unionspolitiker finden diese Idee charmant. Solch ein Deal – Reiche finanzieren die Entlastungen für Niedrigverdiener – wäre durchaus zu begrüßen. Für die FDP aber wäre er ein Desaster: Kurz vor der Bundestagswahl würde ausgerechnet ihre Wählerschaft draufzahlen.

So dürfte das Anliegen der schwarz-gelben Koalition, auch der FDP mal einen Erfolg zu gönnen, an den Machtverhältnissen und der Realität scheitern. Am besten wäre es gewesen, hätte die Koalition ganz die Finger von dem Thema gelassen. Schließlich mutet es verrückt an, angesichts hoher Schulden durch die Wirtschaftskrise und unplanbarer Risiken in Europa ausgerechnet wieder auf Steuersenkungen zu setzen. Aber tröstlich ist: Wirklich fürchterlich kann es nicht werden – dafür ist die FDP zu unwichtig geworden.