Der letzte Fluss vergiftet

UMWELT Der Yellowstone-River in den USA ist von Rohöl verseucht, weil eine Pipeline von ExxonMobil geborsten ist. Die Risiken durch Hochwasser ignorierte der Konzern

Es stinkt nach Öl. Von Schilfrohren am Ufer tropft eine schwere, schwarze Tunke

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

Das Wasser im Yellowstone-River am Fuß der Rocky Mountains strömt derzeit besonders rasant, weil die Rekordhitze den Schnee schneller schmelzen lässt. Die Forellen im Fluss locken TouristInnen aus aller Welt in den Bundesstaat Montana. Doch an diesem Sommerbeginn ist Fischen verboten.

Es stinkt nach Öl. Von Schilfrohren am Ufer tropft eine schwere, schwarze Tunke. Die Viehweiden längs des Flusses sind gesperrt, hier schimmern Regenbogenfarben in öligen Pfützen. In der Nacht zu Freitag ist eine Ölpipeline von ExxonMobil unter dem Fluss geplatzt. Mindestens 160.000 Liter Rohöl sind in den Yellowstone-River geflossen, sein Wasser kann vorerst nicht mehr genutzt werden. Das Öl ist bereits 120 Kilometer weiter flussabwärts gesichtet worden. Mehrere AnwohnerInnen müssen wegen Atemproblemen und Schwindelgefühlen medizinisch behandelt werden.

Der Ölkonzern ExxonMobil kann am vierten Tag nach der Katastrophe immer noch nicht sagen, wieso das Rohr geplatzt ist. Es liegt nur zwei Meter unterhalb des Flussbetts, die Pipeline ist zwanzig Jahre alt, täglich fließen 40.000 Barrel Rohöl hindurch, rund 6,4 Millionen Liter. AnwohnerInnen vermuten, dass die Pipeline dem Druck des Hochwassers nicht standgehalten hat.

BehördenvertreterInnen aus dem benachbarten Ort Laurel haben wiederholt vor den Risiken der Pipeline unter dem Fluss gewarnt. Im Mai, als der Wasserpegel schon einmal besonders hoch war, reagierte ExxonMobil schließlich und stellte die „Silvertip-Pipeline“ ab – für einen Tag. „Es gab kein Anzeichen für eine Gefahr“, sagte Gary Pruessing, Präsident der ExxonMobil-Pipeline-Gesellschaft.

Der Konzern geht am Yellowstone mit denselben Methoden vor, die schon im vergangenen Jahr im Golf von Mexiko fast nichts genutzt haben: Er legt Schwimmbarrieren im Wasser aus, lässt seine HelferInnen den Boden und die Grashalme mit saugfähigen Tüchern abtupfen und überfliegt täglich das verpestete Gelände. Der in Deutschland als Esso firmierende ExxonMobil-Konzern hat in den vergangenen Jahren die größten Profite weltweit erwirtschaftet, aber keine neuen Werkzeuge gegen Ölpest entwickelt.

Das für die Sicherheit von Pipelines zuständige Verkehrsministerium hatte ExxonMobil im vergangenen Jahr eine Liste mit sieben Mängeln an seiner Pipeline vorgelegt. Der Konzern hat die Mängel – darunter defekte Ventile – angeblich Anfang dieses Jahres behoben. Erst nach der Katastrophe verlangten Behörde, dass ExxonMobil seine Pipeline komplett überarbeitet. Und erst jetzt erfahren die Menschen in Montana, dass die Flüsse ihres Bundesstaats an 88 Stellen von Pipelines unterquert werden. Im Herbst will die US-Spitze über eine weitere, mit 13 Milliarden Dollar veranschlagte Pipeline durch Montana entscheiden, die Ölsande von Kanada an die Golfküste nach Texas transportieren soll. Die Proteste dagegen waren bislang auf einen überschaubaren Kreis von UmweltschützerInnen beschränkt. Doch die Katastrophe vom Yellowstone dürfte die Öffentlichkeit aufrütteln.