Feinde meines Verlegers sind meine Feinde

KARRIEREMODELLE Niemand weiß, warum der „Weser-Kurier“ erneut aufs Museum Weserburg eindrischt – mit dessen Direktor der Herausgeber der Bremer Quasi-Monopolzeitung überkreuz liegt

Auffällig am anlasslosen Artikel ist sein rein geldfixierter Blick aufs Museum

Mastdarmjournalismus birgt für seine Produzenten handfeste Vorteile. Darf man nicht vergessen, bevor man die Moralkeule schwingt. Manche haben ja an eine Familie zu denken, und da wäre es ein Zeichen von Intelligenz, auch mal aufs Urteil von Augen und Nasen zu verzichten, wenn’s jemandem Freude bereitet. Wenigstens wäre darüber nachzudenken, wenn er’s schafft.

Wobei: Weiß ja ehrlich gesagt niemand, ob’s Arne Boecker wirklich werden will, also Chefredakteur beim Weser-Kurier, dem Platzhirschen der Bremer Zeitungslandschaft, der seinen konzeptionsstarken Redaktionsleiter Lars Haider zum 1. Juli ans Hamburger Abendblatt verlor. Just an dem Tag, als der ging, große Teile der journalistischen Belegschaft streikten und sonst so gut wie nichts in Bremen los war – fällt zufällig eine ebenso ganz- wie einseitige Boecker-Geschichte ins Blatt, nämlich gegen das Museum Weserburg, spezialisiert auf moderne und Gegenwartskunst. Die erste.

Also jetzt: nicht die erste Geschichte gegen das Museum. Auf das und auf seinen Direktor Carsten Ahrens hegt der Herausgeber des Weser-Kuriers, Ulrich Hackmack, einen Groll, der mitunter auf den Lokalteil abfärbt. Dort stand, dass „Forderungen nach Ablösung von Museums-Chef Ahrens“, wie hieß es noch? „laut geworden“ seien – verschwieg indes, dass kein anderer als eben Hackmack die bei der Stiftungsaufsicht vorgetragen hatte.

Es war aber die erste Geschichte von Boecker. Der war mal Sprecher von Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin gewesen, nachdem er für die Süddeutsche Zeitung aus Schwerin im Allgemeinen und über Manuela Schwesig (SPD) im Besonderen berichtet hatte, bis die im Oktober 2008 „Deutschlands jüngste Ministerin“ (Süddeutsche Zeitung) wurde – und einen Sprecher brauchte. Nach einem Jahr schied Boecker aber aus dem Landesdienst aus.

Für den WK hat er nur selten geschrieben: Das e-Paper-Archiv kennt ihn als Autor eines Textes, der in die Rubrik redaktionelles Marketing gehört, und eben als Verfasser der Weserburg-Geschichte nebst einseitigem Kommentar, der in ein Horn oder in sonst eine Röhre stößt, deren merkwürdig bekannter Klang …

Nun gut. Vielleicht muss Boecker ja eine Familie ernähren. Auffällig am geradezu absurd anlasslosen Artikel ist sein rein geldfixierter Blick auf die Einrichtung: Zwar taucht das Wort „Kunst“ exakt viermal darin auf, , dass und wie mit Kunst in der Weserburg in irgendeiner Form inhaltlich-konzeptionelle Arbeit stattfindet ist dem Text nicht zu entnehmen. Stattdessen schreibt Boecker die Geschichte des Hauses als bloße Folge finanzieller Engpässe. Was den Eindruck weckt, in die Weserburg werde Jahr für Jahr Geld geschoben, das spurlos verschwindet, um für neue Förderung Platz zu machen: Dass eine unabhängige Kommission gerade erst festgestellt hat, das Museum sei mit 1,1 Millionen Euro strukturell unterfinanziert, kann vor seinem Hintergrund nur absurd wirken. Auch wenn’s stimmt.

Online durften die LeserInnen dann voten, ob das Museum für die unpopuläre Kunst der Gegenwart die Stadt zu viel kostet. Pro forma gab’s die Option, es doch für eine Bereicherung zu halten. Die aber wird man sich beim nächsten Mal bestimmt verkneifen. Denn es war bitter zu erfahren, dass viele Kulturmenschen online gehen und dem Kunsthaus eine 70-prozentige Zustimmungsquote bescheren können. Frustrierend. Hoffentlich schadet das nicht der Karriere.BENNO SCHIRRMEISTER