Arbeitgeber und Lobbyist

Noch überblicke er sein neues Tätigkeitsfeld nicht, sagt Heiko Naß. Ein wenig Koketterie schwang mit, aber tatsächlich ist die Diakonie in Schleswig-Holstein, der der 47-jährige Theologe als neuer Landespastor vorsteht, ein schwieriges Gebilde. Zwar zeigt das Organigramm des Diakonischen Werkes nur 94 Beschäftigte. Doch rund um die Zentrale in Rendsburg gruppieren sich 750 Einrichtungen im ganzen Land. In den Kitas, Beratungsstellen, Behinderten-Werkstätten, Wohnheimen, Pflegediensten und Hospizen arbeiten 28.000 Haupt- und Tausende Ehrenamtliche. Die Diakonie ist der größte Wohlfahrtsverband im Land. Als Landespastor ist Heiko Naß zugleich Vorstand eines Multi-Millionen-Unternehmens und politischer Lobbyist, Arbeitgeber und „Anwalt der Schwachen“.

Der Oberkirchenrat, der in Kiel, Bonn und Heidelberg studierte, war seit 2005 im Kieler Landeskirchenamt tätig. Zuletzt leitete er das Dezernat für Theologie und Publizistik. Seelsorgerische Erfahrung sammelte der Vater zweier Kinder als Pfarrer in Nordfriesland und Kiel. Ehrenamtlich betätigte er sich in Projekten der Diakonie für schwerst Pflegebedürftige, Arbeitslose und Strafentlassene. Auch Naß’ Frau Claudia Bruweleit ist im kirchlichen Dienst: Die Pastorin kümmert sich demnächst als „Landeskirchliche Beauftragte“ um die Beziehungen zwischen Nordkirche und Politik.

Auf den Landespastor warten höchst unterschiedliche Aufgaben. So gärt der Streit um die Tarifverträge der Diakonie-Angestellten, die kirchlichem Arbeitsrecht unterliegen. Mit dem Sozialministerium und den Kommunen muss er Verträge zur Finanzierung der sozialen Arbeit aushandeln. In der politischen Debatte muss sich Naß an seiner Vorgängerin, Petra Thobaben, messen lassen: Die streitbare Landespastorin setzte sich unter anderem für Flüchtlinge ein. Künftig wird sie im Auftrag der Landesregierung den Missbrauch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie von 1949 bis 1970 aufarbeiten.  EST