Zusatzpolicen sind oft überflüssig

Fast jeder zweite gesetzlich Krankenversicherte hat eine Zusatzversicherung. Viele davon sind überflüssig, meinen Verbraucherschützer. Wichtig ist die Reisekrankenversicherung

„Man bekommt von der Krankenkasse die medizinisch notwendigen Leistungen“

BERLIN taz ■ Es ist eine dieser Studien, die der Eigen-PR dienen. Die „Gothaer“, eine private Versicherung, gab eine Umfrage in Auftrag. Sie wollte wissen, wie oft gesetzlich Krankenversicherte zusätzliche Policen abschließen – und wie viele sich überhaupt für solche Angebote interessieren.

Die Ergebnisse bezeugen eine große Verunsicherung. Laut Umfrage hat fast jeder Zweite schon eine Zusatzpolice, meist für Zahnersatz. Die Studie zeigt, dass es gerade bei Gutgebildeten einen immensen Markt gibt, den die Versicherer abgreifen können – wenn sie an die Angst der Menschen appellieren, mit den gesetzlichen Leistungen nicht ausreichend versorgt zu werden.

Dabei besteht nach Ansicht von Verbraucherschützern für solche Sorgen kein Anlass. „Pauschal kann ich den Abschluss von Zusatzpolicen nicht empfehlen“, sagt etwa Lars Gatschke vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Im Einzelfall kann eine Versicherung für Zahnersatz oder Brille sinnvoll sein. Aber der Kunde sollte genau abwägen, ob er so etwas überhaupt braucht.“ Auch Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur von Finanztest, mahnt zur Besonnenheit. „Man bekommt von seiner Krankenkasse die medizinisch notwendigen Leistungen.“

Eine Zusatzversicherung indes sollte jeder haben, sagt Tenhagen: die Auslandsreisekrankenversicherung. „Sie kostet nur 6 bis 15 Euro im Jahr und bietet eine wichtige Leistung: den Rücktransport des Kranken ins Heimatland.“ Doch auch abseits dieses Falls lohne sich die Police. Zwar übernehmen Kassen auch Krankenbehandlungen, die im Ausland stattfinden. Doch sie bezahlen nur das, was dies im Inland kosten würde. Erhält ein Patient etwa eine teure Behandlung in den USA, bleibt er ohne Zusatzpolice auf enormen Ausgaben sitzen.

Auf Platz zwei der Prioritätenliste setzt Tenhagen die Zusatzversicherung für das Krankenhaus. „Die ist schon gut. Aber absolut notwendig ist sie nicht“, sagt Tenhagen. Eine solche Police enthält in der Regel das Recht auf ein Zwei- oder Einbettzimmer und auf Chefarztbehandlung – im Krankenhaus der Wahl. Und genau deshalb könnte sie sich lohnen, so Tenhagen. „Wenn ich das Gefühl habe, dass der Experte hier vor Ort mir nicht richtig hilft, aber von einem Fachmann in Oberammergau weiß, kann ich dort behandeln lassen.“

Schon beim Thema Zahnersatz aber wird Tenhagen deutlich zurückhaltender. „Es spricht wenig gegen diese Versicherungen. Aber so wichtig wie die anderen ist sie nicht“, sagt er. Klar ist: Inlays und Kronen sind teuer. Aber deshalb muss der Kunde nicht unbedingt eine Versicherung abschließen. „Wer ohnehin wohlhabend ist, kann plötzliche Kosten auch ohne Zusatzversicherung stemmen. Eine solche Versicherung ist also eher sinnvoll für Leute, die mit knappen Mitteln haushalten – und die lieber jeden Monat etwas abgeben als zu riskieren, dass unerwartet eine große Ausgabe ansteht.“ Private Zusatzpolicen lassen sich auch über die gesetzlichen Kassen vereinbaren. Ein AOK-Vertreter rät, keine Versicherungen im Paket abzuschließen. Denn dort werde Nützliches und Unnützes vermengt. COSIMA SCHMITT