Ja, verletzt!

Ein Zivilpolizist ist bei der S-21-Demonstration am 20. Juni tatsächlich massiv attackiert worden. Laut ärztlicher Diagnose hat er eine Kehlkopfprellung erlitten. Eine solche Prellung kann lebensgefährlich sein, in diesem Fall habe aber keine konkrete Lebensgefahr bestanden. Ein 49-jähriger Demonstrant sitzt wegen Verdachts der schweren Körperverletzung in Untersuchungshaft

von Meinrad Heck

Von Tag zu Tag werden die verwaschenen Bilder etwas schärfer. Sie zeigen nicht, was dem zivilen Polizeibeamten tatsächlich geschehen ist. Sie zeigen nur ein paar Zeitfetzen nach der Attacke durch Demonstranten, etwa den Beamten bei einer Rauferei am Boden und später in einer Menge von Menschen, von denen die einen ihn beschimpfen und die anderen vielleicht auch schützen wollen. Dann die Szene, wie er in einem Krankenwagen sitzt und telefoniert. Der eigentliche Angriff aber ist nicht zu sehen. Die Videofragmente danach zeigen nur eines: Der Beamte hatte ersichtlich Angst. Was also war wirklich geschehen?

In den Tagen danach bleiben die Fragezeichen, und manche Erklärungen dazu werden zumindest etwas präziser. Dass der Beamte am Boden gelegen habe und dann auf ihn mit Füßen eingetreten worden sei, sei nicht mehr Gegenstand der Ermittlungen, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart, Claudia Krauth. Es geht jetzt, gestützt auf Zeugenaussagen, um den Verdacht, dass mit Fäusten auf den Beamten eingeschlagen wurde.

Es gibt präzisere Erklärungen darüber, dass dieser Beamte einen Demonstranten kontrolliert hatte, der Luft aus einem Lkw-Reifen ließ. Dieser Demonstrant hat im Internetforum der Parkschützer geschrieben, er sei bei dieser Kontrolle „korrekt und sogar höflich behandelt“ worden, allerdings hätten ihn der „Hass und die Brutalität“ der Demonstranten danach „erschreckt“.

Die Staatsanwaltschaft stützt ihre neueren Erkenntnisse auf die Zeugenaussagen einer unbekannten Zahl von Polizeibeamten und des Geschädigten selbst. Demnach sollen vier bis sechs unbekannte Demonstranten den Zivilbeamten, nachdem er sich bei der Kontrolle als Polizist ausgewiesen hatte, „weggezerrt und angegriffen“ haben. Sie sollen nicht mit den Füßen auf ihn eingetreten haben, wie es anfangs geheißen hatte, sondern einer soll dem Polizisten mit der Faust ins Gesicht, ein anderer mit der Faust auf den Hinterkopf geschlagen haben. Dann soll es Faustschläge gegen den Hals und den Kehlkopf des Beamten gegeben haben. Der letztgenannte Schlag ist der medizinisch und juristisch entscheidende.

Denn in der folgenden Nacht wurde bei dem Beamten im Krankenhaus neben anderen Verletzungen eine „Kehlkopfprellung“ diagnostiziert. Eine solche Verletzung ist wegen möglicherweise drohender Atemprobleme nach erster Einschätzung der Staatsanwaltschaft „potenziell tödlich“. Deshalb lief zunächst ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf versuchten Totschlag. Ein ärztliches Gutachten, das die Strafverfolger in Auftrag gaben, hat nun ergeben, dass in diesem Fall keine konkrete Lebensgefahr vorlag. Deshalb wird das Verfahren jetzt wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung fortgeführt, außerdem wegen versuchten schweren Raubs.

Die Polizei hat mittlerweile einen 49-Jährigen festgenommen, der den Zivilbeamten mehrfach geschlagen und ihn schwer verletzt haben soll. Die Polizei ist durch die Auswertung von Videoaufnahmen auf den 49-Jährigen gestoßen, gegen den Haftbefehl erlassen wurde und der jetzt in Untersuchungshaft sitzt. Ermittelt wird auch gegen einen 38-Jährigen aus dem Kreis Pforzheim, der ebenfalls auf den Zivilbeamten eingeschlagen haben soll.

Auch den Parkschützern dämmerte, mit Verspätung, dass es zu diesem gewalttätigen Angriff tatsächlich gekommen war. Dies zu leugnen oder den Fall als Polizeipropaganda zu verharmlosen, so hatte ihnen die grün-rote Landesregierung zuvor geraten, sei „keine gute Strategie“. Erstaunlich aber auch, dass der Spiegel zu dem Ergebnis kam, man habe den Zivilbeamten „halb totgeprügelt“.