Eine andere Politik ist möglich

Investitionsabkommen können dabei helfen, die Globalisierung sozialer und ökologisch verträglicher zu gestalten. Doch Deutschland nutzt seine Möglichkeiten nicht aus

Gerhard Schick, 34, ist promovierter Volkswirt. Er sitzt als Abgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag und ist dort derzeit Obmann des Finanzausschusses. Reinhard Bütikofer, 54, ist Bundesvorsitzender der Grünen seit 2002. Davor war er Vorsitzender der Grundsatzprogrammkommission.

Wer sagt, die Demonstrationen gegen den G-8-Gipfel seien nutzlos? 1999, beim Gipfel in Seattle, war die Geburtsstunde der breiten globalisierungskritischen Bewegung. Mehr als 200.000 Menschen protestierten damals – und konnten prompt einen Erfolg für sich beanspruchen: Das multilaterale Investitionsabkommen, gegen das sich vor acht Jahren der stärkste Proteste richtete, kam nicht zustande, und das ist bis heute so geblieben. Die Kritik an diesem Abkommen war so eingängig wie überzeugend: Letztlich sollte es der Investitionssicherheit multinational investierender Unternehmen dienen. Progressive Forderungen, etwa nach verbindlichen sozialen und ökologischen Regeln für ausländische Investoren, waren nicht vorgesehen.

Der Investitionsschutz ist auch 2007, beim Gipfel von Heiligendamm, nicht vom Tisch. Gut so. Denn Investitionsabkommen sind ein wirksamer Hebel zur politischen Gestaltung der Globalisierung. Allerdings spielt das Thema beim G-8-Gipfel nur eine untergeordnete Rolle, und so überrascht es nicht, dass trotz der breit aufgestellten Protestbewegung keine spezifischen Forderungen zu Investitionsabkommen zu hören sind. Ausgerechnet Deutschland aber, mit 138 bilateralen Investitionsabkommen weltweit die Nummer eins, nutzt den Gestaltungsspielraum bei seinen eigenen Verträgen nicht. Dabei könnten wir mit gutem Beispiel vorangehen und so die Grundlage für nachhaltig sozial, ethisch und ökologisch orientierte multilaterale Investitionsabkommen legen.

Die Bilateral Investment Treaties, die Deutschland vor allem mit Schwellen- und Entwicklungsländern geschlossen hat, legen die Rechte – und manchmal auch die Pflichten – internationaler Investoren in den Gastländern fest. Zwar gelten die Verträge im Prinzip in beide Richtungen, doch de facto wird nur in die eine Richtung investiert. Das Wirtschaftsministerium arbeitet mit einem Modellvertrag, der in den meisten Fällen nur leicht angepasst wird. Und der Fokus dieses Mustervertrags liegt eindeutig auf der Investitionssicherheit deutscher Unternehmen.

Wenn Unternehmen Standards nicht einhalten, müssen sie Konsequenzen zu fürchten haben

In der Hoffnung auf deutsche Investoren beschneiden sich die Gastländer mit Unterzeichnung der Investitionsabkommen in ihrem Recht, die Bedingungen für Investitionen festzulegen. Deutschland nutzt das bewusst und blendet Ziele wie eine nachhaltige Umweltverträglichkeit oder verbesserte Entwicklungschancen in den meisten Fällen aus. Dabei ist die Einhaltung internationaler Sozial- und Umweltstandards, zum Beispiel der Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, in den OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen festgelegt. Und die hat auch Deutschland unterschrieben.

Im deutschen Modellvertrag für bilaterale Investitionsschutzabkommen finden diese Normen und Leitlinien nicht nur keinen Eingang – oft erschweren die Abkommen sogar noch deren Umsetzung. Die Abkommen beschränken die Regierungen der Gastländer in ihrer Umwelt- und Sozialgesetzgebung, indem ihre Einflussmöglichkeiten auf ausländische Unternehmen festgeschrieben werden – und das auf niedrigem Niveau. Während der Staat etliche Pflichten gegenüber dem Investor zu erfüllen hat, sind Pflichten für das Unternehmen nicht vorgesehen. Fatale Folge: Allein die Investoren haben das Recht, Beschwerden gegen das Gastland in einem Schiedsverfahren geltend zu machen, nicht jedoch umgekehrt. Statt nachhaltiger Förderung von Entwicklung sorgen die Investitionsschutzabkommen für eine nachhaltige Beschneidung der eigenständigen Politik der Entwicklungsländer. Um nicht von ausländischen Direktinvestitionen abgeschnitten zu werden, bleibt ihnen jedoch meist kaum etwas anderes übrig, als die von Deutschland vorgelegten Verträge zu unterzeichnen.

In solchen Abkommen sollten die Rechte und Pflichten auf beiden Seiten fairer als bisher verteilt werden

Deutschland macht sich damit absolut unglaubwürdig: Einerseits fordern wir eine nachhaltige und soziale wirtschaftliche Entwicklung und unterschreiben das auch in unverbindlichen Erklärungen. Andererseits schöpft die Bundesregierung die Spielräume gerade dort nicht aus, wo sie bereits auf nationaler Ebene vorhanden sind. Denn mit den bilateralen Abkommen könnten die unverbindlichen OECD-Leitlinien auch juristische Relevanz erhalten. Doch ausgerechnet in einem Bereich, der zu den wenigen gehört, in denen eine gewisse Gestaltung der ökonomischen Globalisierung auch ohne schwierige internationale Verhandlungen möglich ist, versagt Deutschland. Das Wirtschaftsministerium, das sich von keinem anderen Ministerium in „seine“ Investitionsschutzabkommen reinreden lässt, untergräbt die entwicklungspolitischen Ziele des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Beide Ministerien gehören gleichberechtigt an den Verhandlungstisch bei bi- und multilateralen Investitionsabkommen.

Gut also, dass beim G-8-Gipfel der Investitionsschutz erneut auf der Tagesordnung steht. Schlecht aber, dass die deutsche Präsidentschaft keine klaren Bedingungen benannt hat, zum Beispiel die Anknüpfung an entwicklungspolitische Ziele oder an internationale soziale und ökologische Normen. Dabei machen einige bestehende Investitionsverträge vor, wie es gehen könnte: Regeln und Standards für Investitionen international agierender Unternehmen sorgen eben nicht für weniger Auslandstätigkeit. Längst gibt es Abkommen, die auch eine Reihe von Ansprüchen gegenüber den ausländischen Unternehmen formulieren. Nach diesem Vorbild müssen endlich auch die deutschen bilateralen Abkommen entwicklungspolitische Ziele sowie Umwelt- und Sozialstandards aufnehmen, die bei Streitschlichtungsverfahren vor dem internationalen Schiedsgericht berücksichtigt werden. Wenn Unternehmen diese Standards nicht einhalten, sollten ihre Rechte gegenüber den Gastländern eingeschränkt werden und eventuelle Investitionsgarantien ihre Wirksamkeit verlieren. Klagt ein Unternehmen, muss zugleich auch überprüft werden, ob es seine Vertragspflichten eingehalten hat.

Mit 128 Verträgen führt Deutschland auf diesem Gebiet. Es sollte auch ein Vorbild sein

Solange sich die Bundesregierung bei ihren Investitionsverträgen nicht zu einer grundlegenden Neuausrichtung durchringen kann, bleibt ihre Entwicklungsrhetorik unglaubwürdig. Das gilt sowohl für bilaterale Verhandlungen als auch für die Diskussionen beim G-8-Gipfel. Wenn Entwicklungsziele sowie soziale und umweltpolitische Standards ernst genommen werden, kann auch ein internationaler Rahmen für Investitionen sinnvoll sein. Wie im Handelsrecht wäre grundsätzlich auch hier ein multilateraler Ansatz begrüßenswert. Voraussetzung ist jedoch, dass Investitionsabkommen nicht einseitig Schutzabkommen für internationale Investoren sind, sondern eine faire Verteilung von Rechten und Pflichten vorsehen. Sie müssen sich einbetten in eine Strategie für eine nachhaltige Entwicklung in allen Ländern. Als Nummer eins bei den Investitionsschutzabkommen muss Deutschland zum Vorbild werden. GERHARD SCHICK UND REINHARD BÜTIKOFER