Ich drück dich, also bin ich von TOM WOLF
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Es verlangt Frauen nach viel mehr als nach der kommunikativen Oberhand. Neuerdings trachten sie auch danach, physisch stärker zu sein als ich Mann. Ich weiß es aus schmerzlicher Erfahrung, denn meine Freundin hat es auf einen direkten, handgreiflichen Vergleich angelegt.

Es ergriff nämlich die Idee von ihr Besitz, sie müsse mich partout beim Armdrücken niederringen. Frauen, so ihre von Tag zu Tag wachsende und sich mehr und mehr zu Muskelmasse zusammenfasernde Grundthese, verkörperten das messbar stärkere Geschlecht.

Jetzt sitzen wir am Tisch und reichen uns je einen von unseren vier Armen. Aug in Auge, Hand in Hand. Das klingt viel zu harmlos, beinahe realexistierend sozialistisch. Denn es ist doch der pure, blutig-verbissene Kampf der Geschlechter. Armdrücken stellt nun freilich, das Vorhandensein entsprechender Muskulatur vorausgesetzt, was beim schwächeren Geschlecht naturgemäß nicht gang und gäbe ist, ein durchaus ernsthaftes Risiko für Sehnen und Knochen dar. Daran denkt meine Freundin nicht. Sie geht wie immer aufs Ganze.

Ich weiß nicht, worin ihr Trick besteht, denn ich würde sie sofort besiegen, da ich ein Mann, ergo stärker bin als sie, die schwächere Frau. Bislang lief es unerklärlicherweise immer auf ein Patt hinaus. Daher habe ich einmal in Erfahrung gebracht, welche Regeln von der International Armwrestling Society aufgestellt wurden. Armdrücken wird grundsätzlich im Stehen – hört, hört! – an einem 1,04 Meter – aha! – hohen Tisch vorgenommen. Der Küchentisch meiner Freundin misst in der Höhe 0,84 Meter – und zum Stehen ist seitlich gar kein Platz … Ergo sind die bisherigen Ergebnisse vollkommen nichtssagend und völlig ungültig.

Doch hören wir weiter: Zum Schutz der Gelenke wird eher gezogen als gedrückt, so dass der Bizeps in anatomisch ungefährlicher Weise belastet wird. Auf so etwas legt sie überhaupt keinen Wert. Sie will mich einfach unterkriegen, auch wenn uns die Gelenke aus den Pfannen hüpfen.

Um den Gegner ordnungsgemäß zu schlagen, so heißt es in den Statuten der internationalen Armdrückgesellschaft, sei es vorteilhaft, eine ständige Spannung in Arm und Hand zu erhalten. Man müsse sich mit einer richtigen Kniebeuge unter den Tisch fallen lassen, um das Körpergewicht einzusetzen. Auch sei darauf zu achten, dass Arm und Schulter in der Phase des „Drückens“ parallel blieben und der Abstand zwischen Unterarm und Oberarm möglichst eng gehalten werde.

Ich möchte anmerken, dass nichts davon bei unserem privaten Wettkampf der Fall ist. Sie setzt Hebel und Winkel offensichtlich ganz willkürlich gegen mich ein. Dabei ist Armwrestling keine rein kraftsportliche Disziplin, da auch die Schnellkraft und die technische Ausführung der Bewegung eine wichtige Rolle spielen. Davon will meine Freundin gar nichts wissen. Ihr ist nur am Ergebnis gelegen.

Dass bei richtiger Bewegungsausführung Brust-, Rücken und Schultermuskulatur beteiligt sein sollten, schert sie einen Dreck. Hauptsache, ich unterliege. Das würde ihr so passen. Jetzt werd ich mal die Tischbeine verlängern und die Küche ausräumen. Wär doch gelacht …