Tränengas gegen Palästinenser

NAHOST Verletzte bei Unruhen in Jerusalem und im Westjordanland

Beobachter fürchten, dass der Streit um den Tempelberg zum Religionskrieg eskaliert

JERUSALEM taz | Bei schweren Straßenkämpfen im Westjordanland sind mindestens acht Palästinenser verletzt worden. Die Unruhen konzentrierten sich vor allem auf den Kalandia-Grenzpunkt zwischen Jerusalem und Ramallah. Die Soldaten setzten Tränengas und mit Gummi umwickelte Patronen ein, um die Demonstranten unter Kontrolle zu bringen.

Die Polizei hatte zunächst mit neuen Unruhen in der Altstadt von Jerusalem gerechnet, wo ein Sonderaufgebot von 3.000 Sicherheitsleuten das Freitagsgebet überwachte. Nur Frauen und muslimische Männer über 50 Jahren waren zum Tempelberg und dem Gebet in der Al-Aqsa-Moschee zugelassen.

Die jüngste Anspannung in Jerusalem bekam am Donnerstag neuen Zündstoff, als ein palästinensischer mutmaßlicher Attentäter bei einem Feuergefecht während seiner Verhaftung erschossen wurde. Der Mann hatte, den polizeilichen Vermutungen zufolge, am Vortag einen Mordversuch gegen einen radikalen jüdischen Aktivisten unternommen. Aus Sorge vor weiteren Eskalationen sperrten die Sicherheitsdienste vorübergehend den Tempelberg für Muslime und Juden. Zum letzten Mal war das umstrittene Gelände vor 14 Jahren gesperrt worden, als der damalige Oppositionsführer Ariel Scharon den Tempelberg besuchte und damit die blutige sogenannte Zweite Intifada ins Rollen brachte.

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas nannte die temporäre Schließung des heiligen Geländes eine „Kriegserklärung. Abbas bat in einem Telefonat mit US-Außenminister John Kerry um sofortige Intervention, um „den israelischen Sanktionen und Eskalationen ein Ende zu machen“.

Auch im Ostjerusalemer Viertel Abu Tur, in Hebron sowie bei Bethlehem kam es am Freitag zu Gefechten. Beobachter fürchten, dass der Streit um den Tempelberg zu einem Religionskrieg eskalieren könnte. Die Oberaufsicht über den Tempelberg hat das jordanische Königshaus.

SUSANNE KNAUL