Briten proben Aufstand gegen die Regierung

GROSSBRITANNIEN Mit einem Generalstreik wollen am Donnerstag Hunderttausende gegen massive Kürzungen von Pensionen im öffentlichen Dienst protestieren. Gewerkschaften sind ob dieses Vorhabens gespalten

Der Chef der Labour-Partei, Ed Miliband, hat den Streik als „Fehler“ bezeichnet

DUBLIN taz | Die Briten müssen sich am Donnerstag auf einiges gefasst machen: Schulen, Universitäten, Gerichte, Häfen und Arbeitsämter treten in einen 24-stündigen Streik. Letzte Gespräche zwischen Regierung und Gewerkschaften über eine einvernehmliche Lösung sind am Montagabend gescheitert. Die Gewerkschaften kündigten weitere Arbeitsniederlegungen im Herbst an, falls die Regierung nicht einlenkt.

Es geht um die Pensionen für Angestellte im öffentlichen Dienst. Die Regierungskoalition aus Tories und Liberalen Demokraten will das Durchschnittsgehalt des gesamten Arbeitslebens als Grundlage für die Berechnung der Pension nehmen, und nicht mehr das letzte Gehalt. Außerdem sollen die Beiträge je nach Einkommen um 1,5 bis 5 Prozent erhöht werden, das Pensionsalter soll bis 2020 auf 66 Jahre steigen. Lediglich Polizisten, Soldaten und Feuerwehrleute sind davon ausgenommen.

Lord Hutton, der die Untersuchung geleitet hat, auf der die Veränderungen basieren, sagte, aufgrund der höheren Lebenserwartung seien die Kosten nicht mehr tragbar. Zudem sei es unfair, die Pension nach dem letzten Gehalt zu berechnen, das bevorzuge Besserverdienende.

Die Gewerkschaften ärgert, dass sie vor vollendete Tatsachen gestellt wurden: Die Regierung gab ihre Entscheidung bekannt, noch während die Verhandlungen liefen. Vier Gewerkschaften haben in Urabstimmungen für den Streik gestimmt.

Mark Serwotka von der Gewerkschaft für Verwaltungsdienstangestellte, PCS, bezeichnete die Gespräche am Montag als Farce. Er rechnet mit 750.000 Streikenden am Donnerstag und kündigte an, dass es im Herbst Millionen sein werden, falls sich die Regierung nicht bewegt. Die größte Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst, Unison, hat dagegen erklärt, man werde die Urabstimmung verschieben, weil die Gespräche hoffnungsvoll verlaufen seien und im Juli fortgesetzt werden sollen.

Dabei hatte der Unison-Präsident Dave Prentis auf der Gewerkschaftstagung vor zwei Wochen noch „den größten Arbeitskampf seit dem Generalstreik von 1926“ angekündigt. Das ist optimistisch, hat sich die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder doch seit 1979 halbiert.

Aber auch die Tories malen ein Chaos an die Wand, weil sie die Situation nutzen wollen, um das schon verwässerte Streikrecht weiter zu beschneiden. So will man durchsetzen, dass mindestens 40 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für einen Streik stimmen müssen. Bisher reicht die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Zudem will man die Gewerkschaften gesetzlich verpflichten, ein Minimum an Service während eines Streiks aufrechtzuerhalten.

Und Labour? Ihr Chef Ed Miliband hat den Streik als „Fehler“ bezeichnet. Er will sich von dem Vorwurf befreien, dass er von den Gewerkschaften abhängig sei. Deren Stimmen waren 2010 ausschlaggebend, als er gegen seinen Bruder David zum Labour-Chef gewählt wurde. Nun will er den Einfluss der Gewerkschaften begrenzen. Bisher halten sie 50 Prozent der Stimmen in der Partei.

Der Konflikt ist programmiert. Bildungsminister Michael Gove hat sich ebenfalls keine Freunde bei den Gewerkschaften gemacht. Er hat die Eltern von Schülern aufgefordert, am Donnerstag für die streikenden Lehrer einzuspringen. „Ich mache mir Sorgen, dass die Lehrer durch ihre Teilnahme am Streik und ihre Verwicklung in diese Art von Militanz an Respekt einbüßen werden“, sagte er.

Mary Bousted, Chefin der moderaten Lehrergewerkschaft ATL, sagte: „Die Drohung, Lehrer durch Eltern zu ersetzen, ist blödsinnig. Die Vorstellung, dass Kinder einen Nutzen daraus ziehen, wenn sie in der Schule von Babysittern betreut werden, macht die Situation noch schlimmer.“

RALF SOTSCHECK