Wie geht’s mit dem Gipfel?

Der G-8-Wochenausblick von Friedrich Küppersbusch: Sind Jungs, die Daimlerscheiben wienern, autonom? Wer entwickelt sich zu besseren Globalisierungsbefürwortern? Was wird mit dem Zaun?

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Ich wurde getadelt, weil ich nicht nach Rostock fuhr.

Was wird besser in dieser?

Ich verzichte voll auf Besserwisserei.

Bei den Demos gab es Krawall und viele Verletzte. Hatten die Scharfmacher also Recht?

Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass Schäuble zu Kirchentagen keine Bundeswehreinsätze fordert („… friedliche Christen vor vermummten Chaoten aus dem Ausland, z. B. Rom, schützen …“). Sonst – ob Fußball-WM oder G 8 – lässt diese Fraktion keine Chance aus, den Knalltüten von der Gegenseite vorab zu signalisieren, dass man sich schon gemeinsam über die friedliche Mehrheit hinwegsetzen wird. Ich habe es so wahrgenommen, dass die Bundesregierung aktiv Eskalationsszenarien thematisiert hat statt Sinn, Zweck oder gar Chancen des Gipfels.

Können sich die Autonomen noch zur Anti-G-8-Bewegung zählen?

Ich könnte jedes Mal kotzen, wenn ich die Jungs alltags vor dem Willy-Brandt-Haus oder an anderen Ampelkreuzungen in Berlin sich demütigen sehe: Für ein paar Cent Daimlerfahrern die Frontscheibe wienern. Was ist daran „autonom“, also „selbstbestimmt“, wenn man sich von Schilyschäuble sagen lässt, wo noch ein paar arme Irre zur Begründung von Bürgerrechtsabbau gebraucht werden?

Sollen die G-8-Kritiker nun besser auf die Blockaden von Zufahrtswegen verzichten?

Eine Blockade ist ein gewaltfreies Mittel.

Hat die Polizei Fehler gemacht?

Täte mich schwer damit, in so aufgeladener Lage jetzt mal eben einen Eimer Schuld zu verteilen.

Wo lauert das größte Konfliktpotenzial des Gipfels: Klima, Afrika oder Nachrüstung?

Das ist keine demokratische Veranstaltung mit transparenter Tagesordnung und legitimen Abstimmungen. Ich meine – würden wir bei einer Hauptversammlung von Mafia-Bossen solche Fragen diskutieren? Was immer die acht sich an Lösungen anmaßen, gehörte viel eher vor ein legitimiertes Gremium wie die UN-Vollversammlung oder den Sicherheitsrat.

Das Motto des G-8-Alternativgipfels lautet: „Globalisierung anders denken“. Aber wie?

Ich neige zu dem Wunsch, „Globalisierungskritiker“ mögen sich zu den klügeren Globalisierungsbefürwortern entwickeln: Eine Bewegung des globalen Maschinensturms ist als solche zum Scheitern verurteilt. Immerhin scheint mir wenig so globalisiert, vernetzt, ortlos wie die modernen Protestbewegungen. Die schlimmsten Gegner der herkömmlichen Globalisierung wären z. B. die, die soziale Standards, Menschenrechte, Verteilungsgerechtigkeit globalisieren wollen. Wirklich heikel finde ich, dass wir selbst eine reflexhaft gutgesetzte Idee wie die Demokratie als auch nur westlich-kulturbedingt in Frage stellen müssen. Globalisierungskritiker, die „weltweit Demokratie durchsetzen“ wollten, wären von George Bush nicht zu unterscheiden.

Sogar Bild ist nun kurzfristig globalisierungskritisch. Was soll man davon halten?

Wenn Zeitunglesen so was wie Autofahren wäre, hätte ich seit Wochen Spikes drauf.

Beim großen G-8-Protest-Konzert singen auch deutsche „Stimmen gegen Armut“ an. Gute Aktion?

In der Beständigkeit, mit der etwa ein Künstler wie Henning Mankell das Thema „Armut Afrikas“ zum Generalbass seines Schaffens macht, ohne deswegen auf andere Themen zu verzichten oder kommerziellen Erfolg zu scheuen, kann ich so was sehr gut leiden. Wer anlässlich großer Medienhypes völlig überraschend auch eher gegen Verhungern eintreten möchte, wirkt halt entsprechend weniger glaubwürdig. Das ist aber doch eine sehr individuelle Sache zwischen Künstler und Fan, das jeweils stimmig zu loten. Auf der Höhe der Friedens-Anti-Atom-Gegen-Nachrüstung-Bewegung der 80er gab es auch Bands, die ständig vollsolidarisch für lau spielen sollten und daran zu Grunde gingen.

Hans-Magnus Enzensberger hat im Spiegel eine ferne Südseeinsel als Austragungsort für den Gipfel vorgeschlagen. Hat er recht?

Technisch täte es auch eine Videokonferenz. Vielleicht taugt der Gedanke praktisch eher dazu, klarzumachen, dass es bei G 8 um öffentliches Stattfinden geht, nicht um ein praktisches Werkzeug für Problemlösungen.

Was wird aus dem Sicherheitszaun nach dem Gipfel?

In den geschätzten 12 Millionen Kosten soll die Entsorgung schon mit drin sein. FRAGEN: DB