Darfur exportiert seine Flüchtlingsdramen

Neue Fluchtwelle aus Sudan in die mittellose Zentralafrikanische Republik. Konflikte in Darfur und Tschad nehmen zu

BERLIN taz ■ Neue grenzüberschreitende Flüchtlingsströme im Länderdreieck zwischen Tschad, der Zentralafrikanischen Republik und Sudan unterstreichen die Notwendigkeit eines koordinierten internationalen Einschreitens gegen die sich ausbreitenden Konflikte in dieser an das sudanesische Darfur angrenzenden Region. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR plant ab Montag eine größere Hilfsoperation in der Zentralafrikanischen Republik für den anschwellenden Flüchtlingsstrom aus Darfur. Seit Sonntag sind in der Region Sam Ouandja im Nordosten des Landes mindestens 3.000 Flüchtlinge aus Süddarfur eingetroffen, sagte Bruno Geddo, UNHCR-Repräsentant in der Zentralafrikanischen Republik, und es würden jeden Tag mehr.

„Sie sagen, dass sie zehn Tage lang gelaufen sind, um die Grenze zu erreichen“, berichtete UNHCR-Sprecherin Jennifer Pagonis gestern in Genf über die neuen Flüchtlinge. Diese hätten berichtet, „dass sie wiederholt von bewaffneten Janjaweed-Milizen angegriffen wurden und dass es weitere Luftangriffe gab, während sie in Richtung Zentralafrikanische Republik flohen.“ Entgegen ersten Berichten seien keine bewaffneten Rebellen unter den Fliehenden, sondern fast ausschließlich Frauen und Kinder.

Sam Ouandja gehört zu einem Gebiet, das Anfang des Jahres unter Kontrolle einer von Sudans Regierung unterstützten Rebellenbewegung in der Zentralafrikanischen Republik gefallen war. Die dortige Regierung eroberte es schließlich zurück, mit Hilfe von Spezialtruppen aus Frankreich. Das Land beherbergt rund 10.000 Darfur-Flüchtlinge sowie mehrere hunderttausend Binnenvertriebene, weil im gesamten Norden diverse Milizen, bewaffnete Banden und Rebellengruppen aktiv sind und die Regierungsarmee teils mit großer Brutalität gegen sie vorgeht.

Das britische Hilfswerk „Merlin“ berichtet aus dem Norden der Zentralafrikanischen Republik, wo ein Großteil der Bevölkerung auf der Flucht ist, es gebe keine funktionierenden Gesundheitseinrichtungen. Im Krankenhaus der Stadt Ndélé, ein Ausgangspunkt der Militäroperationen der Regierung gegen Rebellen, habe man nur vier Patienten angetroffen – kaum jemand kann sich die exorbitanten Behandlungskosten leisten. Aber in den Krankensälen gebe es bloß verrostete Bettrahmen ohne Matratzen und Decken, der einzige Krankenwagen habe keine Räder mehr. In den ländlichen Gesundheitszentren der Umgebung „sahen wir nirgends ausgebildete Fachkräfte oder funktionierende Geräte, und alle hatten zu wenig Medikamente.“

Nach UN-Angaben ist eine Million Menschen in der Zentralafrikanischen Republik, ein Viertel der Bevölkerung, auf Nothilfe angewiesen. In der gesamten von Konflikten betroffenen Region dieses Landes, des Tschad und Darfurs im Sudan sind 4,5 Millionen Menschen unmittelbar von Krieg betroffen, warnte vor wenigen Tagen eine Koalition britischer Hilfswerke. Die Dringlichkeit verstärkter Nothilfe sei besonders wegen der nahenden Regenzeit gegeben. „Die Gewalt in der Region eskaliert, viele Dörfer sind ausgebrannt, und zwei Drittel der Bevölkerung Darfurs sind auf Hilfe angewiesen“, heißt es in dem Appell. UN-Planer im Tschad rechnen derzeit mit einer bevorstehenden Zunahme der Zahl von Binnenvertriebenen, wenn die schwelenden Konflikte dort neu aufbrechen – die Regierungen Sudans und Tschads haben vereinbart, die auf ihren Territorien stationierten Rebellen des jeweils anderen Landes aus ihrem Staatsgebiet hinauszuwerfen, und die widersetzen sich bereits.

DOMINIC JOHNSON