Gutscheine statt Geld für Eltern

CSU will Prämie für Eltern, die Kinder zu Hause betreuen. Experten suchen Alternativen

BERLIN taz ■ Die Idee könnte ein Ausweg sein im Streit über Kinderbetreuung: „Gutscheine“. Seit gestern beraten in Potsdam die Jugendminister, wie der Krippenausbau gelingen könnte. Es soll auch um die Frage gehen, ob Gutscheinsysteme hilfreich wäre. Die Konferenz endet heute.

Im Gespräch sind zwei Modelle. Das erste Modell begreift Gutscheine als Alternative zum Betreuungsgeld – also der Pauschale, die nach Willen der CSU Eltern erhalten sollen, die ihr Kind nicht in die Kita schicken. Bisher kann sich weder die SPD noch Familienministerin von der Leyen (CDU) mit dem CSU-Vorschlag anfreunden. Umstritten ist nicht nur, ob eine Prämie für Hausfrauen erstrebenswert ist, als problematisch gilt sie auch unter sozialen Aspekten: Einige Eltern wären wohl versucht, ihr Kind nur aus Geldgründen zu Hause zu lassen. Damit entfällt die Chance, die Kitas Kindern bieten, die zu Hause wenig gefördert werden oder kein Deutsch lernen. Unsicher wäre auch, ob Eltern das Geld für die Kinder ausgeben. Diese Schwäche soll die erste Variante des Modells beheben. Eltern sollen Gutscheine erhalten, die sie entweder für Betreuung einsetzen können – oder für eine andere Leistung, die dem Kindswohl dient, etwa Erziehungs- oder Musikkurse.

Katharina Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rät von diesem Modell ab. „Mit dem Blick auf die knappen Mittel sollten wir uns auf das Wesentliche konzentrieren“, sagt sie der taz. „Wir haben nun mal einen großen Nachholbedarf bei der Betreuung der unter Dreijährigen.“ Spieß hat ein anderes Modell entwickelt, das im Familien- und Finanzministerium geprüft wird. Auch hier sollen Eltern Gutscheine erhalten – aber nur für einen Zweck: die Betreuung ihrer Kinder durch Kitas oder Tagesmütter.

Der Bund, so Spieß, könne mit den Gutscheinen sicherstellen, dass das Geld, das er für Kitas freisetzt, wirklich ankommt. Der geplante Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für Kleinkinder reiche nicht. Dann könnten Kommunen einfach umschichten. „Ein Beispiel: Es existiert ja kein Rechtsanspruch auf einen Nachmittagsplatz für über Dreijährige. Eine Kommune könnte da kürzen und das Geld in den Rechtsanspruch für die unter Dreijährigen stecken. Und das Geld, das vom Bund für den Kitaausbau vorgesehen ist, fließt dann zum Beispiel in einen neuen Kreisverkehr.“ Auch zum Ausgleich von Herkunftsnachteilen könnte sich das System eignen, sagt Spieß. Sie verweist auf Erfahrungen aus den USA, wo es in einigen Staaten Gutscheine gibt. „Gerade bei einkommensschwachen Eltern steigt nun die Bereitschaft, das Kind in die Kita zu geben. Die Forscher erklären das mit dem psychologischen Effekt. Einen Gutschein will man nicht verfallen lassen.“

Auch Sabine Berghahn, Familienforscherin an der FU Berlin, fordert, zielgenau zu bleiben. „Es ist notwendig, zunächst konsequent die Erwerbstätigkeit der Frauen zu fördern.“ Maßnahmen, von denen eher nicht erwerbstätige Mütter profitieren, seien zwar grundsätzlich legitim, zurzeit aber eher kontraproduktiv. Dennoch hält sie Gutscheine, die auch in Eltern- und Sportkurse eingelöst werden können, für bedenkenswert – um überhaupt einen Kompromiss zu finden. COSIMA SCHMITT

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