Beschlüsse in Zeiten der Krise

GIPFEL Der Italiener Mario Draghi wird neuer EZB-Chef, und Kroatien tritt 2013 als 28. Land der EU bei. Doch im Streit über Kontrollen im Schengenraum ist noch keine Lösung in Sicht

Ziel muss es sein, Schengen zu reformieren, ohne die Bewegungsfreiheit auszuhöhlen

BRÜSSEL rtr/afp/taz | Der Italiener Mario Draghi löst zum 1. November Jean-Claude Trichet an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) ab. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy gab den Beschluss am Freitag auf dem EU-Gipfel in Brüssel bekannt. Ein Streit zwischen Frankreich und Italien um die Posten im EZB-Direktorium drohte die Ernennung in letzter Minute zu blockieren.

Ein Eklat wurde jedoch abgewendet, nachdem das jetzige italienische Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi seinen Rückzug aus der EZB-Spitze ankündigte. Italien hätte mit dem Einzug Draghis zwei der sechs Stellen besetzt, da die Amtszeit Lorenzo Bini Smaghis erst in zwei Jahren endet. Präsident Nicolas Sarkozy und Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatten hingegen ausgemacht, dass Italien für einen Vertreter Frankreichs Platz machen würde.

Bini Smaghi hatte sich zunächst geweigert, solange er keinen alternativen Posten in Aussicht hatte. In einem Gespräch mit Van Rompuy erklärte er sich dann aber zum Rückzug innerhalb des geforderten Zeitrahmens bereit. „Damit war der Weg quasi frei für Draghi“, sagte Merkel, die betonte, dass auf Lorenzo Bini Smaghi „kein Druck ausgeübt“ worden sei. Nicolas Sarkozy bestätigte: „Herr Bini Smaghi hat mich angerufen und mir gesagt, dass er noch vor Jahresende zurücktreten wird. Es ist alles gut gegangen.“

Die europäischen Staats- und Regierungschef gaben außerdem grünes Licht für den Beitritt Kroatiens als 28. Mitgliedsland der EU. Der Beitritt soll zum Juli 2013 erfolgen. Kroatien ist nach Slowenien der zweite Nachfolgestaat Jugoslawiens, der die hohen Hürden zum EU-Beitritt genommen hat. Angela Merkel sprach von einer „großen Freude“, dass die Beitrittsverhandlungen nun de facto abgeschlossen sind. Die Unterzeichnung eines Beitrittsvertrages soll noch „vor Jahresende“ erfolgen.

Im Streit über den Schengen-Raum, dem die große Mehrheit der EU-Staaten angehört, beauftragte der Gipfel die EU-Kommission, bis September einen Lösungsvorschlag vorzulegen. Ziel müsse es sein, Schengen zu reformieren, ohne die Bewegungsfreiheit der Bürger als „Haupterrungenschaft der europäischen Integration“ auszuhöhlen, sagte Herman Van Rompuy. Als Vorgabe bekam die Kommission, einen Mechanismus zu entwickeln, mit dem auf die Ankunft zahlreicher Flüchtlinge reagiert werden kann.

Dieser soll Unterstützung des betroffenen Mitglieds umfassen – von technischer über finanzielle Hilfe bis zum Eingreifen der EU-Grenzschutzbehörde Frontex. „Als letztes Mittel“ und „bei einer wirklich kritischen Situation“ soll es auch die Möglichkeit geben, ausnahmsweise Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums wieder einzuführen, heißt es in der Gipfelerklärung. Dies soll aber nur in Abstimmung mit den Partnern möglich sein. Frankreichs Präsident Sarkozy betonte jedoch, die Entscheidung für Kontrollen bliebe eine rein „nationale“.

Anlass für die Reform war ein Streit zwischen Frankreich und Italien, als Rom wegen vieler Flüchtlinge nach den politischen Umwälzungen in Nordafrika die Weiterreise nach Frankreich ermöglichte. Paris führte daraufhin wieder Kontrollen ein. Für zusätzliche Brisanz sorgte dann das Vorhaben Dänemarks, wieder Zollkontrollen an seiner Grenze einzuführen, was aber bis heute nicht umgesetzt ist.

(Mitarbeit: Gert Stuby)