Kasachischer Politrambo fällt in Ungnade

Der Schwiegersohn von Staatspräsident Nursultan Nasarbajew wird von seinem Botschafterposten in Wien abgezogen. Ihm werden Bandenbildung, Menschenraub und Unterschlagung vorgeworfen. Der Beschuldigte sieht sich als politisch Verfolgter

VON MARCUS BENSMANN

In der vergangenen Woche noch kasachischer Botschafter in Wien, seit Pfingstmontag jedoch über Interpol zur Fahndung ausgeschrieben: Nicht viele politische Karrieren enden derart abrupt wie die von Rachat Alijew, dem Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew. In dem an Öl- und Erdgasvorkommen reichen Staat treten die Intrigen innerhalb der regierenden Familie offen zu Tage. Die Auswirkungen sind bis in die Donaumetropole zu spüren.

„Die kasachische Regierung hat Rachat Alijew vom Botschaftsposten abberufen und die Aufhebung der Immunität eingereicht“, sagte ein Sprecher des österreichischen Außenministeriums gestern der taz. Um den Auslieferungsantrag kümmere sich jetzt das Justizministerium.

Die Vorwürfe, die die kasachische Staatsanwaltschaft gegen den Ehemann der Präsidententochter Dariga erhebt, wiegen schwer: Bandenbildung, Menschenraub und Unterschlagung. Die Strafverfolgungsbehörden des zentralasiatischen Staates beschuldigen Alijew vor allem, hinter der Entführung von Abilschan Gilimow, dem Chef der Nurbank, und deren vormaligen Vizedirektor Scholdas Timralijew zu stehen. Der Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten und Aktionär des angesehenen kasachischen Geldinstituts bestreitet die Vorwürfe. Der Bankdirektor hatte kurz vor seinem Verschwinden in einem Brief an seine Frau mitgeteilt, dass, wenn ihm etwas zustoße, Alijew die Verantwortung trage.

Das Schreiben wurde in internationalen und kasachischen Medien publiziert. Um den Ehemann der Tochter aus der Schusslinie zu holen, entsandte Nasarbajew Alijew nach Wien als Botschafter. Davor hatte Alijew als Vizeaußenminister des rohstoffreichen Landes gewirkt.

Der Ehemann der politisch ebenso ambitionierten Präsidententochter Dariga – sie hat eine eigene Partei und steht einem Medienimperium vor – hat schon länger den Ruf eines politischen Rambos. Im Februar 2006 wurde der angesehene Oppositionsführer Altynbek Sarsenbajew entführt und mit seinem Leibwächter regelrecht hingerichtet. Kurz danach tauchte in kasachischen Oppositionszeitungen der Name des Schwiegersohns als Auftraggeber der Tat auf. Damals konnte Alijew mit der Medienmacht seiner Frau die aufkommenden Gerüchte unterdrücken und mit Verleumdungsklagen die Kritiker zum Schweigen bringen. Dieselbe Taktik versuchte Alijew auch, nachdem Anfang diesen Jahres Entführungsvorwürfe auftauchten. Anscheinend hatte der genervte Vater genug von dem zwielichtigen Ehemann der Tochter.

Nasarbajew empfiehlt sich im Westen als Reformpräsident, gleichzeitig will er die Macht behalten. Eine Verfassungsänderung im Mai, die die Begrenzung auf zwei präsidiale Amtszeiten aufhob, ermöglicht es dem 66-Jährigen, sich unbegrenzt wiederwählen zu lassen. Als außenpolitisches Prestigeprojekt des Präsidenten gilt der OSZE-Vorsitz 2009. Die kriminellen Machenschaften des eigenen Schwiegersohns können da nur stören, zumal dieser wohl auch ein Konkurrent um die Macht war.

Alijew macht in Wien derweil auf Opposition und beklagt die despotische Regierungsweise Nasarbajews. Als politischer Flüchtling will er der Auslieferung zuvorkommen. Die Zeitungen und Fernsehsender der Ehefrau und Präsidententochter Dariga mussten in Kasachstan den Betrieb einstellen. Alijew erklärte am Montag, dass er für die Präsidentschaft kandidieren wollte und von dem Schwiegervater verfolgt würde. Die kasachische Opposition, die den Mord an Sarsenbajew nicht vergessen hat, wird den gefallenen Engel kaum in ihre Reihen aufnehmen.

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