FDP kriegt Druck von allen Seiten

SICHERHEIT Weil Deutschland auf die Vorratsdatenspeicherung verzichtet, schickt die EU nun einen blauen Brief. Auch die Innenminister bedrängen die FDP-Justizministerin

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gibt sich weiter cool

VON WOLF SCHMIDT

BERLIN taz/dpa/dapd | Der Druck auf FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nimmt zu. Sowohl die Innenminister der Länder als auch die EU-Kommission drängen darauf, ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland einzuführen. Doch Leutheusser-Schnarrenberger gibt sich weiter cool.

Die EU-Kommission hat Deutschland, wie jetzt bekannt wurde, vergangene Woche einen Brief geschickt, der den ersten Schritt eines Vertragsverletzungsverfahrens darstellt. Das Justizministerium in Berlin bestätigte am Mittwoch den Eingang des Schreibens. Darin wird gefragt, warum Deutschland die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung noch nicht umgesetzt habe. Die derzeit gültige EU-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten eigentlich, die Telekomverbindungsdaten aller ihrer Bürger ohne Anlass mindestens sechs Monate zu speichern. Deutschland ist aber nicht das einzige Land, das die Richtlinie nicht umgesetzt hat. Und die EU-Kommission selbst hat vor Kurzem angekündigt, die Vorgaben zumindest noch mal zu überarbeiten. Darauf verweist auch Leutheusser-Schnarrenberger. Es sei den Bürgern nicht zu vermitteln, dass „während der laufenden Überarbeitung der europäischen Richtlinie zu alten Vorschriften zurückgekehrt werden soll“, sagte sie am Mittwoch.

Einen Vorschlag von Leutheusser-Schnarrenberger, wonach die Telekomverbindungsdaten nur im Verdachtsfall eingefroren werden und nur die IP-Adressen von Computern sieben Tage auf Vorrat gespeichert werden sollen, lehnt die Union ab. Sie will alle Telekomverbindungsdaten aller Bürger sechs Monate ohne Anlass speichern. Trotz tiefer Gräben versprach Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Mittwoch einen gemeinsamen Beschluss „in den nächsten Wochen“.

Neben der EU-Kommission haben am Mittwoch auch die Innenminister der Länder bei ihrer halbjährlichen Konferenz (IMK) von der schwarz-gelben Bundesregierung gefordert, rasch ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vorzulegen. Sie verzichteten aber darauf, eine konkrete Speicherfrist zu nennen.

IMK: Mehr linke Gewalt

Die Innenminister beschäftigten sich in Frankfurt außerdem noch mit der angeblichen Zunahme der Gewaltbereitschaft unter Linksextremisten. Bundesinnenminister Friedrich sprach von einer „dramatischen Zunahme der Fallzahlen“. Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) lobte, dass nun wieder eine Länderkoordinierungsgruppe unter Federführung des BKA die gewaltbereite linksextreme Szene analysiere. Das Gremium habe bereits zu RAF-Zeiten existiert. „Das zeigt den Ernst der Lage.“

Auch in der rechtsextremen Szene sei „die Hemmschwelle zum Einsatz körperlicher Gewalt gesunken“, teilten die Länderinnenminister mit. In vertraulicher Runde hatten sie am Dienstag über einen neuen Anlauf zu einem NPD-Verbot diskutiert. Hier gebe es „unterschiedliche Ansichten“, hieß es danach.