Auf der Streichliste

Nach seinem Dopinggeständnis soll Bjarne Riis aus der Ruhmeshalle entfernt werden. Derweil gesteht der dritte Freiburger Mediziner Doping

In der vergangenen Woche haben sie also alle ausgesagt: Bert Dietz, Erik Zabel, Rolf Aldag, Bjarne Riis, Christian Henn, Brian Holm und Udo Bölts. Aber was haben sie eigentlich gesagt? Offenkundig nur die halbe Wahrheit. Ihre Beichten sind, bis auf die recht umfangreichen Berichte von Dietz, so halbgar, dass sie wohl kaum die sakramentale Absolution eines Beichtvaters erhielten. Zabel will nur einmal Epo im Jahre 1996 eingenommen haben, danach habe er das Teufelszeug gemieden. Aldag spricht von ein wenig Epo-Doping in den Neunzigern und einem einmaligen Versuch im Jahre 2002. Bölts hat nebulös seine Schuld bekannt, Henn ebenso. Für Riis war das Geständnis allenfalls eine lästige Pflichterfüllung. Die ehemaligen Radler berichten (fast) nur von Doping mit dem Blutverdicker Erythropoetin (Epo). Aber was ist mit Steroiden aller Art, was mit Insulin und Cortison, Synacthen, Stimulanzien und Doping-kaschierenden Mitteln, mit Wachstumshormonen und Blutdoping à la Fuentes? Davon wird kaum gesprochen. Es werden auch keine Dopingpläne offengelegt, nicht die Dosierungen und die Machenschaften im Hintergrund der durch und durch korrupten Radszene. Die Offenbarungen gehen nur so weit wie nötig. Keiner der ehemaligen Pedaleure geht das Risiko staatsanwaltlicher Ermittlungen ein und, wie es aussieht, keine der vermeintlichen Plaudertaschen wird ihren Job verlieren. Dabei muss echte Läuterung weh tun. In dieser schmerzhaften Phase befindet sich der Radsport noch lange nicht – vor allem nicht, wenn Fernsehen und Sponsoren auch in Zukunft heilenden Balsam auf die Wunden auftragen. MARKUS VÖLKER

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Die dänischen Reaktionen auf das Doping-Eingeständnis ihres Nationalhelden und Tour-de-France-Siegers von 1996, Bjarne Riis, 43, sind gespalten. „Erstmals seit elf Jahren kann er wieder als ehrlicher Mann in den Spiegel sehen“, schreibt die Boulevardzeitung B.T. Zwar sei sein Geständnis „Pflicht“ gewesen, „aber immerhin“. Doch die überwiegende Medienreaktion ist ungnädiger. Berlingske Tidende vermisst, dass der nach eigener Aussage nach wie vor auf seine sportliche Leistung stolze Riis offenbar keinen Gedanken daran verschwendet hat, dass er mit seinem Doping andere Sportler um ihren Sieg betrogen habe – und kann nicht verstehen, dass er sich selbst dafür geeignet hält, die richtige Person zu sein, um an der Spitze des CSC-Teams, einer angeblich sauberen Mannschaft, zu stehen. Wobei Riis sich selbst des weiteren Vertrauens von CSC allerdings sicher sein will.

Mit der Überschrift „Du hast uns betrogen, Bjarne“, brachte die Boulevardzeitung Ekstrabladet das Gefühl vieler Dänen auf den Punkt. „Er hat die ganze Welt betrogen. Das ist extrem unethisch und sehr unmoralisch“, schloss sich auch der dänische Kultusminister Brian Mikkelsen diesem Urteil an: Riis könne kein Vorbild mehr für die Jugend des Landes sein und deshalb will der Minister nun überlegen, den Radsportler aus dem Kanon des Sports zu streichen. In diese „Ruhmesliste“, die das Kultusministerium auch für Literaten, Musiker und bildende Künstler führt, kamen vor zwei Jahren auch vorbildhafte Sportler. Riis war damals neben dem 800-Meter-Läufer Wilson Kipketer, dem Fußballer Michael Laudrup und der Frauennationalmannschaft im Handball aufgenommen worden. Nun müsse man klären, ob sein Platz zur Disposition stehe, kündete Mikkelsen an: „Dabei ist er auch immer einer meiner großen Helden gewesen.“

Hat Riis offenbar nichts dagegen, das Gelbe Trikot von 1996 zurückzugeben („Das liegt zu Hause bei mir in einem Pappkarton“), wozu der Weltradsportverband UCI den 43-Jährigen bereits aufgefordert hat, scheint zumindest seine Heimatstadt Herning nicht daran zu denken, die Bronzetafel, die man für den berühmtesten Sohn des Ortes und als „Adler von Herning“ bekannten Riis vor Jahren angebracht hat, wieder entfernen zu lassen. Wobei der Kopenhagener Philosophieprofessor Ole Thyssen sowieso glaubt, dass die Dänen Riis bald wieder vergeben und neu ins Herz schließen werden, sobald die „Rituale moralischer Verdammnis“ abgearbeitet seien: „Die Zeit hat ihn gerettet und schließlich ist er nur den Regeln dieses Zirkusses gefolgt, der dieser Sport ist.“

Derweil wurde in Deutschland ein weiterer dopender Sportmediziner entlarvt, wieder von der Uni Freiburg. Der Verbandsarzt Georg Huber, 64, hat am Wochenende gestanden, in der Zeit von 1980 bis 1990 jungen U23-Straßenradfahrern im Alter von 19 bis 23 Jahren das leistungssteigernde Hormon Testosteron verabreicht zu haben. Die Hochschule suspendierte Huber mit sofortiger Wirkung, ebenso der Bund Deutscher Radfahrer und der Deutsche Ski-Verband.