DIE KRITIK DES UN-BERICHTERSTATTERS AN DEUTSCHER BILDUNG IST RICHTIG
: Blauer Brief von der UNO

Da haben sich die deutschen Kultusbürokraten verrechnet. Sie versuchten nach dem Besuch des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für das Recht auf Bildung wieder ihr bekanntes Spiel: Die deutsche Schule ist kein Fall für amnesty international, tönte es gestern – als Reaktion auf Vernor Munoz, der seinen Deutschlandbericht in Genf vor dem Menschenrechtsrat vortrug. Ziemlich unverhüllt wurde Munoz, ein Kollege der Hohen Kommissarin für Menschenrechte, sogar als schlichter Depp hingestellt. Und nun das: Der deutsche Botschafter bei der UNO beglaubigt vor aller Welt, dass sich Deutschland mit dem Munoz-Bericht auseinandersetzen muss.

Damit ist amtlich und in Genf von höchster neutraler Stelle zertifiziert, was unsere Schulminister so gern abstreiten: dass es nicht nur ein Problemchen mit der Kompetenzvermittlung an den Schulen gibt, sondern dass echte Rechtsverstöße dabei sind. Welche das sind? Einige: Jungen Menschen wird das Recht zu lernen verweigert, nur weil sie aus einem anderen Land stammen; Menschen mit und ohne besondere Lernnöte werden in Sonderschulen kaserniert; die spät startende, früh selektierende Schulstruktur behindert Zuwanderer so krass, dass ihre erfolgreiche Integration misslingt. Keine Kinkerlitzchen sind das.

Manch einer schiebt das Zulassen der Munoz-Kritik nun auf diplomatische Rücksichtnahmen. Botschafter Steiner habe dem Sonderberichterstatter in Genf gar nicht die Meinung geigen dürfen. Sonst wäre der neue Menschenrechtsrat beschädigt, ehe er seine Arbeit richtig aufgenommen hat. Wer so argumentiert, ist nicht nur arrogant, sondern auch dumm. Die Auffassung von Vernor Munoz, dass Deutschland die frühe Aufteilung seiner Schüler überdenken müsse, ist doch längst Allgemeingut. Über nichts wird intensiver nachgedacht als darüber, wie man die Hauptschule überwinden kann. Selbst die Konservativen tun das. Das ist die gute Nachricht: Die Zeiten, in denen man über die Nachteile einer Ausleseschule noch streiten musste, sie sind vorbei. Heute geht es darum, über einen intelligenteren Unterricht nachzudenken – und um eine bessere Ausstattung der Schulen zu kämpfen. Gemeinsam. CHRISTIAN FÜLLER