Fit für den Häuserkampf im Großstadtdschungel

RÜSTUNG Auf der 2nd International Urban Operations Conference treffen Militärs auf Waffenlobbyisten

Ein puscheliger Tarnanzug macht den Träger unsichtbar und sogar unortbar

Draußen auf dem Trottoir liegen vom Regen aufgeweichte rosa Papierschnipsel, auf denen steht: „War starts here“. Spuren eines Fahrradprotestes vom Montag gegen das, was noch bis Dienstagabend im Tagungscenter dbb Forum an der Friedrichstraße diskutiert wird: Technik und Strategien für den urbanen Kampf. Auf Einladung der „Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik“ diskutieren Militärs, Rüstungslobbyisten, Behörden und Industrielle bei Thermoskannenkaffee über „Operationen“ im städtischen Raum.

Auf den ersten Blick sieht die Tagung aus wie eine beliebige Fachveranstaltung: Es gibt Schnitzelchen Mailänder Art mit Grillgemüse und Kartoffelecken zu Mittag. Davor und danach haufenweise Vorträge in Konferenzenglisch und öde Messestände, an denen man mehr oder minder originelle Give-aways abgreifen kann.

Nur die Exponate und die Kleidung der Besucher sind in den Augen eines Zivilisten reichlich gewöhnungsbedürftig. Gut die Hälfte der anwesenden Männer (die Frauen kann man hier an einer Hand abzählen) trägt Uniform: deutsche, holländische, aserbaidschanische, US-amerikanische. Die Aussteller zeigen dem potenziell interessierten Publikum präzise GPS-Ortungssysteme, Lenkflugkörper und Geländefahrzeuge. Bei Saab kann man einen puscheligen Tarnanzug bestaunen, der den Träger nicht nur fürs Auge unsichtbar, sondern auch für Wärmemessgeräte unortbar macht. Der Waffenhersteller Heckler & Koch präsentiert diskret Prospekte, in denen etwa das Maschinengewehr G28, „far more than just another rifle with a scope“ beworben wird.

Eine spektakuläre Performance bietet die holländische Firma Microflown Avisa Re-lion: Ein muskulöser Hüne schält sich routiniert in einen acht Kilo schweren Anzug und bewegt sich mit seiner 3-D-Brille durch eine schnell wechselnde Kulisse. Am Bildschirm erscheint seine Bewegung synchron. Bäume, Haus, Fenster – peng! Eine Gestalt geht zu Boden. Der Hüne lächelt und weicht graziös einem Regal aus. Neue Kulisse: ein Parkhaus mit Geiselsituation. Das Ausbildungssystem, erklärt ein Repräsentant der kleinen Firma aus Enschede, wird von den holländischen Streitkräften bereits genutzt: Je 15 Mann trainieren in einer Turnhalle, binnen einer Stunde ist das System aufgebaut. Billiger und realitätsnäher als die von den Deutschen benutzten Übungsdörfer, findet der Verkäufer – und hofft, noch mehr Armeen für das Produkt interessieren zu können.

Die Frau, die während der Mittagspause ihrer Kollegen den Stand gegenüber betreut, findet das Produkt ihrer Nachbarn gruselig. Bei einer seiner Vorführungen habe der Robocop auf ihren Kopf gezielt, sagt sie empört – ohne Vorwarnung. Sie selbst sei „nur im normalen Marketing tätig“, sagt sie leise. Die Kriegstechnik sei ihr unheimlich: „Ich stell mir vor, wenn einer wie dieser Amokläufer Breivik diese Technik in die Hände kriegt … nicht auszudenken!“

Ja, nicht auszudenken. Würde man sich wünschen, dass die mexikanische Polizei das in einem Vortrag vorgestellte Geo-Informationssystem der Bundeswehr zur Riot Control einsetzt? Der Vertreter einer Firma, die unkaputtbare Computer und Navis herstellt, rollt die Augen ob solcher Vorbehalte. Es gebe hier schließlich auch Vorträge über Trinkwasserversorgung im Katastrophenfall. Oder über die Verletzlichkeit urbaner Gebilde. „Ich sehe meine Arbeit als Vorbeugung“, sagt er. „Damit im Ernstfall möglichst wenig Kollateralschäden entstehen. Denn das will wirklich niemand.“ NINA APIN