CDU geht an die Nieren

In keinem Bundesland werden so wenig Organe gespendet wie in NRW – obwohl die Bereitschaft dazu groß ist. Die Union fordert jetzt „Beauftragte“, die Angehörige von Toten informieren sollen

von NATALIE WIESMANN

Die Nordrhein-Westfalen sind bundesweites Schlusslicht bei den Organspenden. Nur zwölf EinwohnerInnen von tausend werden pro Jahr Leber, Lunge, Herz und Nieren entnommen, um andere Leben zu retten. Im gleichen Zeitraum sind es in Mecklenburg-Vorpommern 30, der bundesweite Durchschnitt liegt bei 15,3. Doch am Willen der NRW-BewohnerInnen liegt es nicht: Laut Umfragen ist die Bereitschaft zur Organspende im bevölkerungsreichsten Bundesland höher als in anderen Regionen Deutschlands.

Die CDU-Landtagsfraktion setzt sich jetzt dafür ein, dass der Wille zur Organspende auch umgesetzt wird: „Es muss in jeder Klinik einen Beauftragten für Organspenden geben“, sagte ihr gesundheitspolitischer Sprecher Norbert Post gestern auf einer gemeinsamen Konferenz mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Seine Fraktion will einen entsprechenden Passus in die geplante Krankenhausnovelle aufnehmen. „Ich bin mir sicher, dass alle Parteien dem zustimmen“, so Post. Auch die SPD sagte gestern, eine Revision des Transplantationsgesetzes sei „dringend erforderlich“. Drei Menschen sterben in Deutschland täglich wegen fehlender Organspenden. Die erschreckende Bilanz war auch Thema beim Ärztetag in Münster, der gestern zu Ende ging.

Seit dem Transplantationsgesetz von 1997 ist es zwar möglich, dass Tote ohne entsprechenden Ausweis zum Spender werden – nämlich dann, wenn die Verwandten ihr Einverständnis geben. Das Problem ist aber, dass nur 45 Prozent der Krankenhäuser die Verwandten informieren. „Es ist natürlich nicht so einfach, mit der Todesnachricht auch gleich die Frage nach der Organspende zu verknüpfen“, sagte Post. Das ginge aber nicht anders, da die Entnahme der Organe nur acht bis zehn Stunden nach dem Tod möglich sei. „Deshalb muss auch der oder die Beauftragte dann psychologisch geschult sein“, so Post.

Von einem Organspende-Beauftragten verspricht sich auch Ulrike Wirges, Ärztin und NRW-Geschäftsführerin der DSO, viel: „Wenn die Verwandten gefragt werden, dann stimmen 80 Prozent zu“, sagte sie. Man müsse nur nachfragen.

In Spanien, Österreich und Belgien ist die Organspende der Normalfall: Nur wer ausdrücklich widerspricht, wird nicht zum Spender. Diese so genannte Widerspruchslösung wollen weder Wirges noch die CDU: „Den Vorschlag des Nationalen Ethikrats (NER) lehnen wir ab“, sagte Post. Der NER fühlte sich nach dem Aufruf zu mehr Organspenden Ende April aber falsch verstanden: Er sei nicht für eine Widerspruchslösung, sondern für eine lückenlose Information der Bevölkerung.

Die oft diskutierte Idee, Organe vorrangig an Menschen zu vergeben, die selbst Spender sind, halten CDU und DSO für inakzeptabel. Der Kampf um die wenigen Organspenden treibt auch rassistische Blüten: Wirges erzählt, dass BürgerInnen sie anriefen und vorschlugen, MigrantInnen von den Organspenden auszuschließen. Denn bei denen „seien Transplantationen ja nicht üblich“.