Wo ist Bruno?

SUCHE Wie geht es dem Bären aus dem Lübecker Zoo? Wir waren im Bärenwald Müritz am Plauer See, um den betagten Braunbären zu (be)suchen. Doch die Fährte des Neu-Einwohners war nicht immer eindeutig

„Anfangs hat er nicht gefressen, aber jetzt isst er normal. Er ist ein richtiges Süßmaul“

Tierpflegerin Sheila Dillner

AUS STUER FRANZISKA WINTER

Das Ortseingangsschild verrät, dass wir unser Ziel erreicht haben. In Stuer am Plauer See soll er jetzt wohnen, der Lübecker Bär Bruno. Knapp ist der frühere Zirkusbär in seiner alten Heimat der Einschläferung entronnen. Eine Woche nach seinem Umzug vom mittlerweile geschlossenen Tierpark Israelsdorf in den Bärenwald Müritz, wollen wir mal nach dem Rechten sehen – Mama, Oma und ich. Ein Familienausflug im schönsten Sommerwetter.

„Beim Vorbeifahren habe ich schon oft Bären gesehen“, sagt meine Oma. Und tatsächlich: der 16 Hektar große Wald grenzt direkt an die Straße. Wir folgen dem Schild und fahren auf einen kleinen Parkplatz. Vor dem Eingangshäuschen essen ein paar Leute im Restaurant zu Mittag. Doch unser Bärenhunger kann nicht mit Fischbrötchen oder Eis gestillt werden. Jetzt wird erst einmal Bruno gesucht!

An der Kasse erhält jeder Besucher eine Pappmaske für das Experiment „Drei Minuten oder 30 Jahre“. Da wir keine weitere Erklärung erhalten, sind wir gespannt, was uns erwartet. Wir werden durch einen roten Vorhang in einen schmalen, mit Holz vertäfelten Gang geschickt. Ein Projektor wirft die Wörter FREIHEIT HEIßT WÄHLEN KÖNNEN an die linke Wand. Rechts sind viele kleine Gucklöcher gebohrt, die an Bärenaugen erinnern. Beim Blick hindurch sehe ich Bilder von Käfigen und Schlüsseln und lese Fragen, wie „Kannst du dich vor Verletzung schützen?“ oder „Wie groß ist eigentlich deine Wohnung?“ Zurück im Freien wartet das Experiment, zu dem wir die Masken benötigen.

Mit verbundenen Augen betrete ich die Höhle. Die einzige Anleitung: Folge dem Handlauf. Obwohl ich weiß, dass nichts Schlimmes passieren wird, fühle ich mich schutz- und ahnungslos. Auf einmal höre ich zufallende Käfigtüren. Ich fühle mich bedrängt. Dann ertönen Stimmen von Zoobesuchern, die mich erst begaffen und anschließend beschimpfen. Unweigerlich identifiziere ich mich mit einem Bären in Gefangenschaft. Als dann noch die Dressurrufe und das Peitschenknallen eines Zirkusdompteurs zu hören sind, bin ich erleichtert, am Ende des Handlaufes angekommen zu sein. Gut, dass ich nicht als gefangener Bär auf der Welt bin!

Wir spazieren entlang der Gehege und entdecken unter anderem Braunbärin Susi, die in der Sonne Mittagsschlaf hält. Schade, vielleicht wüsste sie ja wo Bruno steckt. Wir folgen dem Pfad und hören die Vögel zwitschern, da lese ich plötzlich BRUNO auf einem Grabstein am Wegrand. Was, denke ich, das kann nicht sein! Erst Entsetzen, dann Verwirrung – und bei genauem Hinsehen Erleichterung. Der Stein ist dem „Problembären“ Bruno gewidmet, der 2006 zuerst durch die Wälder, dann durch die Medien gejagt und schließlich erschossen wurde.

Langsam wächst mein Bedürfnis zu sehen, ob es unserem Bruno gut geht. Doch wo soll ich ihn finden, wenn auch im Prospekt jede Spur von ihm fehlt? Ich frage einen Tierpfleger, der uns über den großen Rundgang schickt. Er verspricht mir: „Am Ende des Pfades ist sein Gehege, meistens steht er gegenüber der Höhle am Zaun.“

Nach einem langen Marsch durch den Bärenwald steht er dann wirklich vor mir. Erst trottet er am Zaun entlang, dann legt er sich hin. Die Fellbüschel am Bauch verraten, dass er gerade sein Sommerfell bekommt. Bruno wirkt ein wenig müde und geschafft. „Aber er ist mit seinen 34 Jahren ja auch nicht mehr der Jüngste“, erklärt Tierpflegerin Sheila Dillner. Im Schnitt werden Braunbären etwa 35 Jahre alt, der Rekord liegt bei 42 Jahren. Bruno hat das Glück, seinen Lebensabend hier, im größten Bärenschutzzentrum Westeuropas verbringen zu können. Und die Pflegerin bestätigt, dass er sich gut eingelebt hat: „Anfangs hat er nicht gefressen, aber jetzt isst er normal. Er ist ein richtiges Süßmaul.“

Wenn das stimmt, dann hat er sich sicher auch über die zwei Kilogramm Melonen, Avocados und Mangos gefreut, die heute zu seiner zwölf Kilo-Tagesration gehörten. Ein bisschen Sommerfrische auf dem Speiseplan kann bei diesen Temperaturen eben jeder gut gebrauchen. In unserem Fall ist das jetzt endlich das wohlverdiente Eis.

Bärenwald Müritz

17209 Stuer

Öffnungszeiten:

April–Oktober: täglich 9–18 Uhr

November–März: täglich 10–16 Uhr

Eintrittspreise:

Erwachsene: 6,- Euro

Kinder (bis 14 Jahre): 3,50 Euro

Ermäßigt: 5,- Euro