Ecuador schlittert in eine politische Krise

Im Streit um eine verfassunggebende Versammlung entzieht der Oberste Wahlrat 57 Abgeordneten das Mandat

BUENOS AIRES taz ■ In Ecuador hat das Oberste Wahlgericht 57 von 100 Kongressabgeordneten das Mandat und für die Dauer eines Jahres auch das passive Wahlrecht entzogen. Zur Begründung führte das Wahlgericht an, die 57 Parlamentarier hätten sich unrechtmäßig in die Volksbefragung über eine verfassunggebende Versammlung eingemischt und somit einen rechtmäßigen Wahlvorgang behindert.

Mit der Entscheidung hat sich der Streit zwischen Kongress und der Regierung von Präsident Rafael Correa um die Volksbefragung über eine verfassunggebende Versammlung weiter verschärft. Das nationale Leben sei derzeit „auf höchste angespannt“, kommentierte Regierungsminister Gustavo Larrea den Vorgang. Die Regierung respektiere jedoch die Entscheidung des Obersten Wahlrats, so Larrea und machte damit indirekt die Zustimmung von Präsident Rafael Correa deutlich.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist die Volksbefragung über eine verfassunggebende Versammlung am 15. April. Correa hatte im Wahlkampf versprochen, die Verfassung von 1999 zu überarbeiten, um damit die Vorherrschaft der traditionellen Parteien im Kongress einzuschränken.

Da Correa im Kongress über keine eigenen Anhänger verfügt, hatte er nach seinem Amtsantritt per Dekret eine Volksbefragung angeordnet. Die Bevölkerung selbst solle darüber entscheiden, ob sie eine Überarbeitung der Verfassung möchte oder nicht. Mit dem Referendum will Correa den Kongress umgehen und die Bildung einer verfassunggebenden Versammlung durch die Zustimmung der Bevölkerung erreichen. Der Präsident beauftragte umgehend das Oberste Wahlgericht mit der Vorbereitung.

Das Oberste Wahlgericht gab die Entscheidung über des Referendum dennoch zunächst an den Kongress weiter. Die Opposition im Kongress beharrt darauf, dass ein solches Gremium nur durch das Parlament eingesetzt werden kann. Dennoch war es der Regierung am 13. Februar gelungen eine knappe Mehrheit im Parlament für das Referendum zu gewinnen. 54 von anwesenden 57 Abgeordneten stimmten für das Referendum. Die Opposition war der Abstimmung jedoch weitgehend ferngeblieben. Sie befürchtet, die mögliche verfassunggebende Versammlung werde befugt sein, den Kongress aufzulösen. Die Regierung hat diese Möglichkeit bisher offen gelassen.

Anfang der Woche hatte die Opposition nachträglich versucht das Referendum zu stoppen. Fünf Kongressabgeordnete brachten am Montag einen Antrag ins Parlament ein, mit dem die Volksbefragung für verfassungswidrig erklärt werden sollte. 52 Abgeordnete stimmten am Dienstag für die Absetzung des Vorsitzenden des Obersten Wahlrats, Jorge Acosta, der mit der Organisation der Volksbefragung beauftragt ist. Daraufhin hatte das Oberste Wahlgericht den 57 Abgeordneten der Opposition das Mandat aberkannt. Die 57 sollen nun durch ihre Stellvertreter ersetzt werden.

JÜRGEN VOGT

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