Verbraucher profitieren, Umwelt verliert

Die Verpackungsnovelle soll das duale System stützen und Schlupflöcher schließen. Sie öffnet jedoch wieder neue

Bis zu 40 Prozent der Unternehmen entziehen sich derzeit ihrer Verantwortung

BERLIN taz ■ Der Referentenentwurf zur Novelle der Verpackungsverordnung liegt vor. Die gute Nachricht: Der Verbraucher kann in Zukunft seinen kompletten Verpackungsmüll ganz legal in der Gelben Tonne oder dem Gelben Sack entsorgen. Die schlechte: Ökologie spielt in dem Entwurf des Bundesumweltministeriums keine große Rolle. Zumindest für Verpackungsabfälle wie Kartons, Kunststoff- und Blechgebinde, die im Gewerbe anfallen, sieht er keine stoffliche Verwertungsquote vor – sie können also künftig auf die kostengünstigste Art entsorgt und beispielsweise verbrannt werden.

Die aktuelle Fassung der Verpackungsverordnung aus dem Jahr 1998 verpflichtet alle Unternehmen, gebrauchte Verpackungen zurückzunehmen und zu verwerten. Bislang gibt es diese zwei Möglichkeiten, das zu organisieren: Über das duale System, das von Unternehmen wie Duales System Deutschland (DSD), Interseroh und Landbell betrieben und über Lizenzgebühren der Hersteller finanziert wird. Oder als sogenannte Selbstentsorger. Dies ist vor allem bei gewerblichen Verpackungen sinnvoll, die schon nach Wertstoffgruppen getrennt gesammelt werden können. Bei beiden Wegen gelten Quoten für die allgemeine und stoffliche Verwertung, die derzeit sogar übererfüllt werden.

Trotzdem hat sich die Verordnung nicht bewährt, denn sie bietet zu viele Schlupflöcher: Weil niemand weiß, wie viel Verpackungen in Umlauf sind, kann nicht kontrolliert werden, ob die Hersteller auch genug Gebühren zahlen. Und die Möglichkeit der freien Wahl motiviert sie zusätzlich, sich aus der Verantwortung zu stehlen: Immer mehr Trittbrettfahrer lassen sich gar nicht mehr beim dualen System registrieren. Zudem erklären sich immer mehr Handelsketten, die direkt an den Endverbraucher verkaufen, zu Selbstentsorgern und bieten die Rücknahme der leeren Shampooflaschen und Zahnpastatuben im Laden an. Sie profitieren davon, dass kaum ein Verbraucher diese Möglichkeit nutzt und die Verpackungen stattdessen in der Gelbe Tonne landen. Für ihre Entsorgung zahlen also die ehrlichen Hersteller mit. Dabei geht es nicht um wenige schwarze Schafe: Nach Branchenschätzungen entziehen sich inzwischen 40 Prozent der Unternehmen ihren Verpflichtungen.

Der Referentenentwurf sieht nun vor, „die Tätigkeitsfelder von dualen Systemen und Selbstentsorgern klar zu trennen“. Für die Endverbraucher sowie kleine Betriebe und Institutionen soll ausschließlich das duale System zuständig sein. Selbstentsorger wären nur noch im gewerblichen Bereich zulässig. Die stofflichen Verwertungsquoten sollen nur für das duale System gelten.

Außerdem müssen die Hersteller und Vertreiber künftig eine von Wirtschaftsprüfern testierte Erklärung darüber abgeben, wie viel Verkaufsverpackungen sie in Umlauf bringen.

Der Bundesverband der Entsorgungswirtschaft und Marktführer DSD begrüßten den Entwurf. Er sei ein „klares Bekenntnis zum bewährten Verpackungsrecycling in privater Hand“. Unter anderem die Gewerkschaft Ver.di hatte vorgeschlagen, das Einsammeln der Verpackungen wieder an die Kommunen zu übergeben.

Bei den Umweltverbänden ist man dagegen enttäuscht: „Mit ökologischen Standards hat der Entwurf nichts zu tun“, sagte Eva Leonhardt, Abfallexpertin der Deutschen Umwelthilfe, der taz. „Wir brauchen Quoten für alle, klare Verbindlichkeiten und eine klare Nachweisführung.“ Maria Elander vom Naturschutzbund ärgert sich vor allem über die fehlende Quote für gewerbliche Verpackungen. „Das kann mir keiner erklären“, sagte sie der taz. Schließlich seien diese wegen ihrer größeren Sortenreinheit oft einfacher zu verwerten. So schaffe der Entwurf neue Probleme: „Wenn die Quote nicht für alle gilt, wird immer jemand versuchen, seine Verpackungen so umzudeklarieren, dass sie eben nicht darunter fallen.“

BEATE WILLMS