Polens Skandalpriester wird Oberlehrer

Polens Lehrer sind entsetzt. Die Medaille für nationale Bildung ist die höchste Auszeichnung, die das Erziehungsministerium vergeben kann. Bekommen hat sie dieses Jahr ausgerechnet Henryk Jankowski, der für seine antisemitischen Ausfälle bekannte Skandalpriester aus Danzig. Der 71-Jährige versteht die Aufregung nicht: „Dank mir sind einige Schulen und Kindergärten entstanden. Ich habe also Verdienste im Bereich der nationalen Bildung.“ Doch auch sein Vorgesetzter, der Erzbischof von Danzig, schüttelt nur den Kopf: „Verdienste von Prälat Jankowski im Bereich der Bildung sind mir nicht bekannt. Ich drücke Erziehungsminister Roman Giertych mein tief empfundenes Mitleid aus.“

Auch Slawomir Broniarz, der Vorsitzender des Lehrerverbandes ZNP, kann es nicht fassen: „Wo sind seine Verdienste? Oder meint Minister Giertych etwa, dass der von Jankowski gebaute Bernsteinaltar ein Kunstwerk ist, das einen wertvollen pädagogischen Einfluss ausübt?“ Da auch Giertych für seine rechtsradikalen Ansichten bekannt ist, vermutet Broniarz: „In Wirklichkeit geht es dem Minister nur um seine persönlichen politischen Interessen.“

Tatsächlich bedienen Giertych und Jankowski eine ähnliche Klientel: katholisch-nationalistische Polen, die auch für antisemitische und EU-feindliche Parolen empfänglich sind. Doch während Giertychs Einfluss stetig sinkt, steigen Ansehen und Einfluss des Danziger Priesters wieder. Vor zwei Jahren erst war er nach einem vom Gericht nie aufgeklärten Sexskandal mit minderjährigen Ministranten vom Amt suspendiert worden, dann lange krank gewesen, um sich nun in alter Frische und neuer Funktion zurückzumelden.

Berühmt wurde Jankowski in den Achtzigerjahren. Als Kaplan der Freiheitsbewegung Solidarność kämpfte er Seite an Seite mit dem späteren Präsidenten Lech Wałesa auf der Danziger Werft für die erste freie Gewerkschaft im damaligen Ostblock. Bis heute sind sich die beiden in Freundschaft verbunden. Nach der Wende 1989 wurde Jankowski ein wenig seltsam, sah überall Verschwörer, Juden und Freimaurer, die angeblich Polen vernichten wollten. Bei einer Osterzeremonie setzte er Juden mit Nazis und Sowjets gleich, was weltweit für Empörung sorgte.

Obwohl Jankowski abgesetzt wurde, hat er nie seinen politischen Einfluss verloren. So entstand in den letzten Jahren das Prälat Henryk-Jankowski-Institut mit 2.500 Volontären, die eng verbunden sind mit dem rechtsklerikalen Radio Maria in Thorn (Torun) und politische Basisarbeit leisten. Geldgeber hat Jankowski auch gefunden. Und einen neuen politischen Freund: Roman Giertych.

GABRIELE LESSER