„Alles in Gold, Weiß und Pink“

Am Samstag holt das Haus der Kulturen der Welt mit dem Projekt „mein Markt“ Kultur und Kommerz unter ein Zeltdach. Ob dieser Markt ein Basar für Kreativarbeiter, Konzeptkunst oder Budenzauber wird, scheint offen. Ein Gespräch mit den Initiatoren

Seit Oktober 2006 läuft am Haus der Kulturen der Welt die Veranstaltungsreihe „meine Baustelle“. Bislang ging es um Diplomatie, Architektur, Kritik und Zeit. Mit „mein Markt #5“ endet die von Dorothea von Hantelmann kuratierte Reihe; im August eröffnet das HKW neu, die Zeit der Baustelle ist vorbei. Nach „mein Haus“ arbeitet Hantelmann für „mein Markt“ zum zweiten Mal mit der Gruppe International Festival zusammen. Diese versteht sich als ein offenes, kollaboratives Projekt, das zwischen Architektur und Situationsgestaltung operiert. Initiiert von Tor Lindstrand (Stockholm) und Mårten Spångberg (Berlin), entwickelt International Festival seit 2004 transdisziplinäre und kontextbezogene Arbeiten, die darauf zielen, ihre Betrachter zu Teilnehmern zu machen. Bezeichnenderweise trifft man sich zum Interview in der „Kule“ – diesem Relikt aus Hausbesetzertagen mitten auf der Auguststraße, wo Markt und Kultur täglich aufs schönste zusammenstoßen. TF

„mein Markt“: übermorgen (Samstag) am und auf dem Haus der Kulturen der Welt, 12–24 Uhr, Eintritt frei; Vortrag des Schweizer Wirtschaftswissenschaftlers H. Ch. Binswanger zum Thema „Der Homo oeconomicus und seine Gegenspieler. Das Menschenbild in den Denkschulen der chinesischen und europäischen Ökonomik“ um 18 Uhr (im Anschluss Gespräch mit Mathias Greffrath)

INTERVIEW TIMO FELDHAUS

taz: Im Rahmen der Reihe „meine Baustelle“ im HKW veranstalten Sie am Samstag einen Flohmarkt. Wie soll das Publikum eigentlich merken, dass es gerade Teil eines Kunstwerks ist und nicht einfach über einen stylischen Flohmarkt flaniert?

International Festival: Darauf kommt es nicht an. Es würde ausreichen, unseren Markt als ein spezielles Erlebnis zu erfahren. Uns geht es darum, einen möglichst offenen Kommunikationsraum zu schaffen, in dem etwas passieren kann. Indem es irgendwann auch egal sein kann, was wir als Künstler vorbereitet haben. Es geht nicht darum, provokativ, subversiv oder „dagegen“ zu sein. Wir denken ein wenig wie ein Trichter. In der Regel stecken viele Leute viele Ideen oben herein, und unten kommt etwas Schönes heraus. Ein Kunstwerk. Wir machen es genau andersherum. Wir beginnen mit dem kleinen Röhrchen am Ende und schubsen etwas an. Herauskommen können ganz unterschiedliche Dinge.

Wie groß wird der Markt sein? Wie wird er aussehen?

Dorothea von Hantelmann: Er wird auf den Terrassen des HKW stattfinden. Etwa 50 Institutionen, Labels und Geschäfte beteiligen sich. Wir bieten in mehreren großen Zelten Sachen zum Verkauf an, die sie uns überlassen haben. Dazu gibt es noch 60 Einzelstände, die jeweils ein mal zwei Meter groß sind.

Nach welchen Kriterien wurden die Verkäufer ausgewählt?

DvH: Es sind Leute, die aus den Bereichen Kunst, Kultur, Design, Architektur, Lifestyle und Mode kommen. Wir stellen also unsere Kultur aus, die aus Berlin. Gemäldegalerie, Berliner Philharmoniker, Komische Oper, Kunstwerke, Pro qm. Auch Galerien, Plattenläden, Modelabel wie Acne, Bless, Murkudis. Und Leute aus dem Off-Bereich, die ihre Sachen selber schneidern. Uslu Airlines, die Air-Brush-Kosmetik machen, und In’t Veld Schokoladen, die eine Praline in der Form der HKW-Auster vorstellen, sind auch dabei. Das sind Institutionen, die uns Spenden geben, und der Erlös geht in die Initiierung eines neuen Projekts des HKW zum Kulturaustausch. Privatpersonen, die nach Flohmarktprinzip verkaufen wollen, konnten sich einfach bewerben, mit dem Vorteil, dass sie nichts bezahlen müssen. In diesem Rahmen haben wir jetzt zum Beispiel sowohl einen Shiatsu-Stand als auch das Hansa Theater, das Requisiten aus Harald-Juhnke-Filmen verkaufen will. Wir haben nach dem Spektrum der avanciertesten Kultur gesucht, die diese Stadt hervorgebracht hat. Wir bekommen aber auch ein aufblasbares Huhn von der Tate Modern aus London.

Und was genau trägt die Projektgruppe International Festival jetzt dazu bei?

IF: Wir werden die einzelnen Stände designen und dekorieren. Alles wird in Gold, Weiß und Pink gestaltet. Feuerwerkskörper sollen gezündet werden. Und wir werden eine Route entwerfen, die die einzelnen Anbieter auf dem Markt miteinander in Beziehung setzt.

Dass dies im HKW stattfindet, überrascht. Bislang ist man von hier immer in die Ferne geschweift, und jetzt plötzlich stellt sich Berlin-Mitte selbst aus?

IF: Interessant für uns war, dass die Kulturinstitutionen durch uns so nah zusammenrücken wie sonst wohl nie. Die Deutsche Guggenheim teilt sich ihren Raum mit den Kunstwerken und der Tate Modern, aber eben auch mit dem Grill Royal und der Cartoonfabrik. Kulturinstitutionen funktionieren plötzlich wie eine Open Source. Es entsteht eine Dekontextualisierung. Normalerweise wird die Guggenheim ja auch nicht vom HKW eingeladen. Es entsteht eine Mischung – corporate und privat mischen sich. Insofern würde ich sagen, das Ganze bekommt ein sehr eigenes Format, das sich an in gewisser Weise an die Formate Flohmarkt und Messe anlehnt, aber schon etwas Eigenständiges, Neues zu schaffen versucht.

Welche Idee von „Markt“ liegt dem Projekt zugrunde?

DvH: Märkte werden als Orte verstanden, die sich durch Handlungen und Austauschprozesse konstituieren und bestimmten Mustern unterworfen sind. Wir fragen: Was für eine Potenzialität sitzt da drin? Uns geht es darum, den Markt nicht als feste Struktur zu sehen, sondern als Handlungsfeld.

Das Programm erweckt den Eindruck, als ob der Markt zu einem großen, kreativen Feld würde, wo man letzten Endes nichts anderes als Spaß hat. Aus einer linken Perspektive ist dies schwer nachvollziehbar.

DvH: Wenn das nicht so wäre, hätten wir etwas falsch gemacht. Dass es diese Reaktion auslöst, zeigt aber auch, wie das klassisch Linke einem so repräsentativen Status von Kunst verhaftet ist. Es muss nach dieser Auffassung eine Meinung an so ein Projekt gehängt, eine Kritik mitgeliefert werden – es muss lesbar sein. Und wenn es nicht lesbar ist, dann lässt es sich nicht einordnen: Entweder ist man dagegen, oder man ist affirmativ und verharmlost und relativiert die Brutalität der Marktkräfte – das wäre ja dann der Vorwurf. Beides Kategorien, die uns nicht interessieren. Uns interessiert es, zu fragen, wie sich so etwas wie Markt überhaupt konstituiert. Die kritische Haltung ist nicht evident genug? Wunderbar, denn genau die interessiert uns nicht. Von da aus ist unser Markt nicht lesbar.