Frei. Freier. CDU

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Ein großer Entertainer wird aus Ronald Pofalla wohl nicht mehr. Aber im Vergleich zu früheren Auftritten wirkt der CDU-Generalsekretär wie aufgeblüht. „Unser Grundsatzprogramm steht für Optimismus“, sagt Pofalla stolz bei der Präsentation des 91-seitigen Entwurfs. „Mehr Freiheit und weniger Staat“ sei der Leitgedanke des dritten Grundsatzprogramms der CDU-Historie, erklärt Pofalla.

Auch seine Chefin Angela Merkel ist zufrieden. Der Entwurf wurde einstimmig beschlossen – von einer 69-köpfigen Kommission, in der alle Parteiflügel vertreten waren. Gravierende Änderungen sind daher bis zur Verabschiedung auf dem Parteitag im Dezember nicht mehr zu erwarten.

In der Wirtschafts, Steuer- und Sozialpolitik orientierte sich die Kommission an den Beschlüssen des Leipziger Parteitags von 2003, die damals als revolutionär galten. So will die CDU die Krankenversicherung, in der die Mitglieder je nach Einkommen unterschiedlich hohe Beiträge einzahlen, „so bald wie möglich“ durch Kopfpauschalen ersetzen. Im CDU-Deutsch heißt dieser Plan „solidarisches Prämienmodell“. Auch die Pflegeversicherung soll „baldmöglichst durch ein kapitalgedecktes solidarisches Prämienmodell ersetzt“ werden. Für Menschen mit geringem Einkommen, die sich die Prämien womöglich nicht leisten können, verspricht die Union einen „sozialen Ausgleich“, finanziert aus Steuermitteln.

Generell strebt die CDU jedoch drastische Sparmaßnahmen des Staates an. Bis 2015 will sie ein Neuverschuldungsverbot für Bund und Länder einführen. Gleichzeitig sollen aber auch die Steuern weiter gesenkt werden – auf Bierdeckelformat. Das Steuerrecht müsse künftig drei Prinzipien folgen: „einfach, niedrig, gerecht“.

In der Arbeitsmarktpolitik fordert die Union eine Lockerung des Kündigungsschutzes und Lohnfindung durch betriebliche Bündnisse für Arbeit. Der aktuelle Regierungspartner lehnt diese Vorschläge entschieden ab. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil erklärte: „Es ist gut, dass die SPD in der großen Koalition so stark ist, dass dieser marktradikale Ansatz keine Rolle spielt.“

Um den Modernisierungsanspruch der Union zu unterstreichen, versuchte Pofalla, die Aufmerksamkeit auf die Familien- und Umweltpolitik zu lenken. Diese hätten bei den Mitgliedern „das größte Interesse“ hervorgerufen. So mancher Christdemokrat tut sich noch schwer mit dem veränderten Familienbegriff, der schon 1999 auf einem Parteitag beschlossen und jetzt im Programm verankert wurde. Demnach ist Familie „überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern dauerhaft Verantwortung tragen“, also nicht nur in Haushalten von Eheleuten. In der „bürgerlichen Familie des 21. Jahrhunderts“ würden sich Frauen und Männer zumeist gleichermaßen um die ökonomische Basis und die „emotionale Qualität“ der Familien kümmern, stellt die CDU nun fest. Ausdrücklich „respektiert“ die CDU auch andere Formen der Partnerschaft wie zwischen Schwulen. Eine Gleichstellung mit der Ehe lehnt die CDU jedoch ebenso ab wie ein Adoptionsrecht für Homosexuelle. Nur für Heterosexuelle soll es weiter Vorteile durch das Ehegattensplitting geben, das die CDU um ein „Familiensplitting“ erweitern will.

In der Bildungspolitik hält die Union am dreigliedrigen Schulsystem fest – hat aber keine Einwände mehr gegen den Ausbau von Ganztagsschulen und der Kinderbetreuung.

Wie alle Parteien will die CDU den Klimaschutz vorantreiben. Anders als SPD und Grüne befürwortet sie aber längere Laufzeiten für Atomkraftwerke.

Zur Einwanderung schlägt die CDU teils neue Töne an. „Legale Migration ist vor allem auch Bereicherung“, heißt es, und: „Deutschland ist Integrationsland“. Gleichwohl hält die Partei daran fest, dass die gute alte „Leitkultur“ samt Patriotismus Grundlage für den Zusammenhalt der Gesellschaft sei.