mein katholisches schloss von ULRIKE STÖHRING
:

Nachdem vor kurzem in meine Wohnung eingebrochen wurde, hatte mir der frisch gefönte Mitarbeiter der Schlüsseldienstfirma ein, so wörtlich, „bombensicheres Schloss“ in die Wohnungstür gefummelt. Es hätte selbstverständlich noch wesentlich teurere Ausführungen für Angstpatienten im Endstadium gegeben, aber schon dieses Modell verschlang den Urlaubsetat eines ganzen Jahres.

Entsprechend lange dauerte der Einbau, und am späten Abend waren der Schlüsseldienstleister Herr M. und ich bereits so gute Freunde geworden, dass er signalisierte, einer Einladung zu einem gemeinsamen Essen nicht abgeneigt zu sein.

Nun lag mir diese Fortsetzung unserer Geschichte völlig fern. Herr M. roch wie eine havarierte Großpackung Billigparfürms. Ich möchte mir nicht ausmalen, was passieren muss, um mein Trostbedürfnis derartig anwachsen zu lassen, die klassische Handwerkernummer am eigenen Leibe erleben zu wollen. Wir trennten uns wortkarg: Er bekam sein kleines Vermögen, mir blieb die Quittung, seine Handynummer und ein noch Tage präsentes olfaktorisches Andenken.

Doch: „Mein ist die Rache“, sagt sich der Handwerker, „ich habe Zeit.“ Schon nach einer Woche war es so weit. Der Morgen des Karfreitags zeigte sich so sonnig wie meine Laune, als ich zu einem Frühstücksrendezvous aufbrechen wollte. Nur: ich kam nicht aus der Wohnung. Das bombensichere Schloss tat unerbittlich seinen Dienst.

Vielleicht ist es katholisch, dachte ich und versuchte zu verhandeln: „Liebes Schloss, es ist schon klar, der Karfreitag ist der Tag der Trauer und der inneren Einkehr, da soll man deiner Meinung nach nicht in der Sonne sitzen und Cremant trinken und küssen und lachen. Aber ich bin doch ein Heidenkind aus dem Osten! Da kannst du wirklich ein Auge zu- und deinen klemmenden Riegel aufdrücken …“ Nein, wollte es nicht …

Verzagt suchte ich nach der Handynummer meines verschmähten Handwerkers und erreichte nur eine peppige Mailbox. Ich versuchte es bei der Firma direkt. Das Callcenter sitzt in München oder in Bombay, man weiß es nicht. Ich flehte irgendetwas von einem dringenden Termin ins Telefon, und nur ein Stündchen später war das beruhigende Geräusch einer Brechstange an meiner Tür zu vernehmen. Durch den Spion konnte ich erkennen, dass mir ein Handwerker zur Hilfe geeilt war, diesmal einer in der naturbelassenen Ausführung: Wuschelhaare, Holzfällerhemd, derbe Flüche auf den Lippen.

Er verursachte einen infernalischen Lärm, verstärkt durch das hektische Bellen des Nachbarhundes. Doch erst nach einer Schamfrist von dreißig Minuten fand sich die Hausgemeinschaft vor meiner Türe ein, um mir ermutigende Worte zuzurufen und Verpflegung über den Balkon anzubieten. Hätte ich es wieder mit echten Einbrechern zu tun gehabt, hätte ich wahrscheinlich längst geknebelt am Boden gelegen. Danke, Nachbarn!

Die Mittagsstunde war längst verstrichen, da saßen wir uns endlich am Küchentisch gegenüber – der Handwerker vom Typ „Wildhüter“ und ich. Mein Rendezvous war geplatzt, schon aus Aberglaube hätte ich ihn zum Essen einladen müssen. Zumal ich ihn nicht bezahlt habe …