Der Weltgeist dreht sich

Edmund Stoibers Briefe an seine in Wolfratshausen weilende Gattin Karin, genannt „Muschi“. Heute: Der Freistaat ist halt doch nur ein Bundesland, aber Staatsoberhaupt ist schon was anderes

VON STEFAN KUZMANY

Verehrte Muschi!

Ich schreibe Dir diesen Brief, damit Du schon weißt, dass es heute was zu feiern gibt, wenn ich heimkomm’. Sogar noch mehr zu feiern wie vorgestern, wo bei den Franzosen der Sarko gewonnen hat gegen diese Schnepfe. Nein, heute leeren wir noch ein weiteres Glas Schampus, weil er jetzt ja drin bleibt, der Terrorist, dieser Saukerl.

Es ist, als ob sich der Weltgeist zu unseren Gunsten dreht und doch noch alles so wird, wie es mir zusteht. Es hat ja lange nicht so ausgeschaut. Aber er hat ja dann nicht anders können, der Köhler, weil wir ihn sonst nicht noch mal gewählt hätten, wenn er ihn herausgelassen hätte, was eine Ungeheuerlichkeit gewesen wäre und eine Gefahr für Leib und Leben eines jeden rechtschaffenen Bürgers und auch für mich. Und dem Köhler wäre sein Grinsen vergangen, aber das ist es jetzt schon, weil er sich uns hat beugen müssen, und da zeigt sich endlich wieder, wer hier eigentlich das Sagen hat und es auch behält.

Ich habe mir nämlich folgendes überlegt und beabsichtige, den Köhler trotzdem nicht noch mal zu wählen, weil es bis dahin einen anderen Kandidaten geben wird, der viel besser für dieses höchste Amt im Staat geeignet ist als dieser verkappte Pole, nämlich ich selbst. Der großartige Sieg bei den Franzosen hat mich noch einmal darin bestätigt, dass die Zeit wieder reif ist und dass man sich von den Weibern nicht erschrecken lassen darf. Insofern war es ein Fehler von Dir, was Du gesagt hast, ich weiß es zwar nicht mehr genau, aber es war jedenfalls nicht meine Idee, wegen dieser Pauli-Person auch nur eine Sekunde über einen Rückzug nachzudenken, und die Idee vom Söder wird es ja kaum gewesen sein, also warst Du es und das werde ich Dir so schnell nicht vergessen, auch wenn es heute was zu feiern gibt. Aber ich werde das trotzdem nicht vergessen, sondern in Zukunft nur noch auf die einzige Person hören, der ich noch vertrauen kann, auch wenn es an der Spitze einsam ist. Es ist meine Pflicht, und in dieser Verantwortung werde ich die Kandidatur antreten und dann erster Mann im Staat werden, weil ich es eigentlich sowieso schon bin.

Dann ist die Alte in Berlin meine Untergebene, da kann sie noch lange Kanzlerlein spielen, aber bei der Flugbereitschaft habe ich dann Vorrang, und kein einziges Gesetz wird die mehr durchbringen, weil ich Bedenken anmelden werde, und unterschreiben werde ich gar nichts. Und zwar aus Prinzip.

Ja, Muschi, ich lebe auf und ich fühle mich fast so wie damals, als der Herr Professor Strauß, Gott hab’ ihn selig, mich berufen hat, den Weg anzutreten, der in Pflichterfüllung mir heute noch gegeben ist und weiter sein wird auch in Zukunft und anderen Ämtern. Ich kann es kaum noch erwarten und dann können gern der Huber und der Beckstein in Bayern Bushäusl einweihen, von mir aus auch abwechselnd.

Es ist der Freistaat halt doch nur ein Bundesland, aber Staatsoberhaupt ist schon was anderes. Das hat mir der Sarko gestern auch am Telefon gesagt, beziehungsweise, er hat es mir ausrichten lassen, weil er halt sehr beschäftigt ist, und der Söder hat seine Handynummer immer noch nicht organisiert und im Sekretariat stellen sie mich nicht durch, weil sie keine Ahnung haben, mit wem sie es zu tun haben, diese Ignoranten. Der Söder kommt mir einmal nicht mit ins Bundespräsidialamt, weil den kann man ja auf einem Staatsbesuch niemandem zeigen, ohne dass man sich schämen muss. Da suche ich mir lieber eine ganz neue Mannschaft zusammen aus lauter Einserjuristen, die frisch von der Universität kommen und noch wissen, dass sie einem Mann wie mir Respekt schuldig sind und sich in jeder Hinsicht aufzuopfern wissen. Einen stell ich dann auch auf Dich ab, weil ich ja sehr beschäftig sein werde mit meinen Staatsbesuchen und Du ja unmöglich die ganze Zeit allein daheim bleiben kannst.

Es wird eine große Zeit! Vielleicht gelingt es mir ja vorher noch, eine Verfassungsänderung durchzusetzen und meine künftigen Kompetenzen meinen Fähigkeiten anzupassen, dann wird es eine noch größere Zeit und die anderen, die Roten und das andere Geschwerl hat noch weniger zu lachen als bisher schon, und wenn sich dann noch einer erdreisten sollte, von mir zu verlangen, dass ich ihn freilasse, dann kommt er gleich noch fünf Jahre mehr hinter Gitter wegen Präsidialbeleidigung und da kann er dann verrecken und dann wird er es sich zweimal überlegen, ob er sich noch einmal erdreistet, und das macht er dann nur einmal.

Es wird Zeit, dass auch dieses Land wieder ordentlich regiert wird und ich spüre ganz genau: Die Zeit ist jetzt da und ich werde auf den Mantel der Geschichte aufspringen, auf dass er mich in höchste Höhen trägt. Endlich.

Es grüßt Dich erwartungsfroh

Edmund Stoiber

Ministerpräsident