Kriegsbunker als Plastik

Die tschechische Konzeptkünstlerin Magdalena Jetelová flutet während der Ruhrfestspiele die Recklinghäuser Kunsthalle. Die 30.000 Liter Wasser sollen zum Raumerlebnis werden

VON PETER ORTMANN

Der Titel der Ausstellung „Der Neue Raum“ der tschechischen Konzeptkünstlerin Magdalena Jetelová ist Konzept und Fluch zugleich. Neu werden die Räume in der Recklinghäuser Kunsthalle nämlich nicht, und die Arbeiten der ehemaligen Düsseldorfer Kunstprofessorin auf drei Etagen sind eher theatralische Event-Installation. Auch wenn alles ziemlich lichtfrei gehalten ist, bleibt die etwas schale Suche nach Positionierung in der Kunsthistorie wenig erhellend. Der französische Philosoph und Medienkritiker Paul Virilio (Ästhetik des Verschwindens) und der US-amerikanische Avantgardekomponist John Cage (Vortrag über Nichts) müssen herhalten, um die Arbeiten im ehemaligen Luftschutzbunker zusätzlich aufzuladen.

„Sie hat uns sehr gequält“, sagt Museumschef Ferdinand Ullrich. Seit Jahren sei er hinter Magdalena Jetelová her gewesen, jetzt mache man den Betrachter zum Mitspieler – in der dunkelsten Ausstellung aller Zeiten. Der Aufwand sei gerechtfertigt. Und er war auch bezahlbar. Die Frühjahrsausstellung firmiert nämlich unter dem Recklinghäuser Ruhrfestspiel-Logo – wie jedes Jahr. Magdalena Jetelová, seit 2004 Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in München, sieht ihre Arbeit als „eine merkwürdige Begegnung mit Kunst“. Sie bespielt dafür die Toiletten mit einer sinnigen akustischen Tropfinstallation.

Also hinein in den Kriegsbunker für den Recklinghäuser Hauptbahnhof als Gesamtplastik. Eintritt durch einen schwarzen Stoffvorhang. Für die Augen ein Schock. Darkroom mit Wasserfläche, ein leicht bewegter Lichtschriftzug spiegelt sich an der hinteren Wand. Die Füße wagen sich kaum nach vorne, das Gehirn signalisiert: Vorsicht vor dem gefluteten! Schritt für Schritt tastet man sich hinein, ahnt glücklicherweise, dass die Wassertiefe nur ein paar Zentimeter beträgt. Aus dem Off fallen die Tropfen. Dann ist auch schon alles vorbei. Die Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt. Aus tiefem Schwarz wird dunkles Grau. Der Holzweg wird sichtbar, die Treppe hinten auch. Die Schritte normalisieren sich. Die Sinnlichkeit ist vergangen.

Im zweiten Stock folgen dann im Abgedunkelten die schicke Kunstmarkt-Hardware in zeitgemäßen Leuchtkästen. Lichtspuren eines Lasers penetrieren schwarz-weiss nicht nur den Atlantic Wall, auch Londons Problemzone King‘s Cross und das selbst als Plastik durchgehende Island. Die Arbeit hatte live sicherlich den viel sinnlicheren Reiz. Kein Wunder, dass Hausherr Ullrich darauf hinweist, dass es sich hier um Fotos ohne Photoshop-Bearbeitung handelt.

Die Augen haben sich endgültig an das schmuddelige Licht gewöhnt, wenn der Besucher die oberste Etage erreicht hat. Hier wird es wieder konzeptioneller mit dem Paul Virilio-Zitat „Die Rundung der Erde bringt uns zu uns selbst“ als rotierende Lichtprojektion. Eigentlich soll der Kunstfreund dem Lichtkegel folgen, um nach und nach den Text in Teilen zu erfassen. So soll er dem Ausspruch des Philosophen körperlich nachspüren. Es reicht aber auch, wenn man an der Treppe stehen bleibt. Der ganze Satz ist im Halbdunkel zu lesen, das Licht hellt nur die Worte entsprechend auf. Die Grundidee funktioniert nur halbherzig.

Der künstlerische Wasserverbrauch wurde in Recklinghausen als „sinnlose Wasserverschwendung“ kritisiert. Dafür hat Ullrich aber eine kunstvolle Idee: Zur Finissage werden Gießkannen verteilt, die Gäste dürfen das Wasser mit nach Hause nehmen. Es lebe der Klimawandel.

Bis 22. Juli 2007