Heiße Ohren

Menschen mit Sendungsbewusstsein: Heute startet im RBB das „trimediale Projekt“ „Kalter Krieg im Radio“

Die Namen sind oft gehört, hüben wie drüben: Egon Bahr, Markus Wolf, Karl Eduard von Schnitzler. Vielleicht begreift man die politische Dimension des Radios im geteilten Berlin am unmittelbarsten, wenn man bedenkt, dass viele der Rundfunkpioniere der Vierziger- und Fünfzigerjahre später in die Politik gegangen sind. Oder zur Staatssicherheit. Menschen mit Sendungsbewusstsein, die nur ihr Medium gewechselt haben.

Von ihnen erzählt heute um 22.15 Uhr das rbb-Feature „Kalter Krieg im Radio“. Und von Hörern und Hörerinnen, vor allem aus dem Ostteil der Stadt. Von widerspenstigen Ohren, das Transistorradio immer im Sperrgebiet. „Der Rias hatte einfach die besseren Platten“, sagt einer. Wahrscheinlich hat er damit auch Grundsätzliches zur deutschen Wiedervereinigung formuliert. Mindestens aber meint er das: In der Frontstadt Berlin war Radiohören auch dann politisch, wenn nur die Hitparaden eines konkurrierenden Gesellschaftssystems gedudelt wurden.

Für „Kalter Krieg im Radio“ ist der Rundfunk Berlin-Brandenburg, die wiedervereinigte Sendeanstalt, in die eigenen Archive und in die eigene Geschichte hinabgestiegen. Ein weiter Weg war es kaum. Steht doch das Haus des Rundfunks in der Masurenallee gewissermaßen im Zentrum dieser Geschichte. Bis zum 5. Juli 1956 funkte dort, tief im britischen Sektor, die sowjetische Militärkommandantur, saßen eben Markus Wolf oder Karl Eduard von Schnitzler in den Redaktionsräumen am Messegelände. Im Jahr darauf zog dann das Programm in den streng gegliederten Poelzig-Bau, das das eigene Sendungsbewusstsein bereits im Namen trug: Sender Freies Berlin. DDR-Radio kam von nun an aus der Nalepastraße.

Frei waren eben auch die Radiowellen, mäandernde Zeichensysteme, eingefangen von Antennen, denen der Menschen wie der Radiogeräte. Mehr als 40 Jahre lang wurde propagiert, agitiert, unterwandert. Was etwa im Umfeld des KPD-Verbots von 1956 für einen westdeutschen Piratensender gehalten wurde, entpuppte sich schließlich als eine Produktion der DDR: Deutscher Freiheitssender 904, auf 904 Kilohertz.

Weil diese Macht des Radios aber am ehesten im Radio selbst erfahren werden kann, empfehlen sich die neun fünfminütigen Hörstücke, die rbb-Kulturradio ab heute beinahe täglich um 14.10 Uhr sendet. Daneben sei auf das umfangreiche Angebot im Internet verwiesen, dem Medium, das in gegenwärtigen (Zeichen-)Kriegen ja mehr und mehr an die Stelle des Radio tritt: www.kalter-krieg-im-radio.de

CLEMENS NIEDENTHAL