Humus des langen Films

Die 53. Oberhausener Kurzfilmtage sind eröffnet und kämpfen im letzten Kino der Stadt für Kunst, Förderung und Vermarktung. 6.500 Einreichungen zeigen, das Genre ist längst noch nicht tot

VON PETER ORTMANN

Gutes Klima – draußen und drinnen. Der „Knotenpunkt im internationalen Netzwerk des Kurzfilms“ sei unverzichtbar, sagt Medien-Staatssekretär Andreas Krautscheid (CDU). Aus kommerzieller Sicht sei das die Filmwirtschaft in NRW auch. Ein kleiner Junge musste im letzten Kino der Stadt Oberhausen dennoch weinen. Er wurde gleich bei seinem ersten Theaterbesuch für eine Rolle 35-mm-Film ein Star. Mit „Zehn Minuten älter“ (Russland, 1978) von Herz Frank wurden die 53. Kurzfilmtage eröffnet.

Heimlich wurde der dreijährige Russe bei seinem ersten Theaterbesuch gefilmt. Beim Abspann ist er und die Zuschauer zehn Minuten älter und um einen Berg ungeschnittener Nahaufnahmen nebst einer kullernden Träne reicher. Auch wenn man nicht weiß, welche Kinderdramen sich 1979 auf der russischen Bühne abgespielt haben. Der Besuch wird bei dem Knirps, heute 29 Jahre alt, seine kulturellen Spuren hinterlassen haben. Und da sind wir auch schon bei einem wichtigen Thema der renommierten Kurzfilmtage. Das Kinder- und Jugendprogramm feiert ein Jubiläum. Seit 30 Jahren ist es im Festival etabliert. „Kein Grund für eine Retrospektive“, sagt Festival-Chef Lars Henrik Gass und zeigt lieber eine Auswahl filmischer Blicke zurück auf die Kindheit – als imaginäre Reise durch deren Stadien.

Nach „Zehn Minuten älter“ waren in der Oberhausener Lichtburg zur Eröffnung noch der geniale Kurzfilm „Summer Lightnings“ (2:30 min, Russland, 2004) von Victor Alimpiev, das Hitchcock-Found Footage-Opus „Why don‘t you love me“ (8:30 min, BRD, 1999), in dem Christoph Giradet und Matthias Müller das Verhältnis erwachsener Männer zu ihren Müttern untersuchen und der aus bunten Zeichnungen collagierte Erinnerungskosmos „Milk of Amnesia“ (6 min, USA, 1992) von Jeffrey Scher zu sehen. Allein die vier Kurzfilme machen die Vielfalt und Qualität der filmischen Formen sichtbar. Doch was haben die Filmemacher davon?

„Der kurze Film ist keine aussterbende Gattung“, sagt Gass. Das Gegenteil sei der Fall. Es entstünden heute weitaus mehr kurze Filme als vor 50 Jahren. Fast tot sei dagegen der standardisierte Kurzfilm als Vorfilm. Aber durch Musikfernsehen, Internet und Kunstmarkt ginge es ihm besser denn je. Der kurze Film sorge dafür, dass der Film nicht erstarre, sei Humus des langen Films. Und der Humus braucht viele Säcke. Bis Dienstag sind in den Wettbewerben 147 internationale Produktionen zu sehen. Allein 64 Beiträge aus 37 Ländern konkurrieren im internationalen und 27 Produktionen im deutschen Wettbewerb des weltweit ältesten Kurzfilmfestivals. Insgesamt waren fast 6.500 Beiträge aus 93 Ländern in Oberhausen eingereicht worden. Denn der mit 7.500 Euro dotierte Große Preis der Stadt Oberhausen gehört zu den begehrtesten Auszeichnungen der Szene.

www.kurzfilmtage.de