Aus der Anonymität des Pelotons

RADSPORT Die beiden verbliebenen Deutschen wollen beim abschließenden Zeitfahren des Giro d’Italia glänzen

Zum Durchhalten ermunterte die Zeitfahrspezialisten aber auch die Aussicht auf die allerletzte Etappe

Ein Giro d’Italia im Rennsattel ist anstrengend, sehr anstrengend. Zuweilen ist der Respekt vor einer solchen Rundfahrt aber größer als das Rennen selbst. Diese Erfahrung macht gerade Rundfahrtdebütant Patrick Gretsch. „Ich habe Schlimmeres befürchtet“, erzählt der Thüringer. „Natürlich waren die Dolomiten schwer zu fahren. Aber ich bin hier nicht der Kapitän gewesen. Ich stand nicht unter einem solchen Leistungsdruck und konnte es daher ruhiger angehen“, meint der 24-jährige Profi von HTC Highroad. Das ruhigere Angehen drückt sich auch in guten drei Stunden Rückstand auf den Gesamtführenden Alberto Contador aus.

Aber der Spanier ist nicht sein Maßstab. Die Aufgabe des einstigen Bahnverfolgers und aktuellen deutschen Vizemeisters im Zeitfahren bestand darin, seinen Kapitän Mark Cavendish in eine gute vordere Position zu bringen, wenn es in den Zielsprint geht. „Ich glaube, das habe ich gut gelöst“, meint Gretsch mit Blick auf die zwei Etappensiege des Briten. Anders als Cavendish gab Gretsch aber nicht auf, als sich die scharfen Zacken der Dolomiten ankündigten.

Zum Durchhalten ermunterte den Zeitfahrspezialisten aber auch die Aussicht auf die allerletzte Etappe. „Für das Zeitfahren in Mailand nehme ich mir einiges vor“, erklärt Gretsch der taz. Sebastian Lang ist neben Gretsch der einzige Verbliebene des deutschen Giro-Aufgebots. Dreimal gelang es ihm, sich einer Fluchtgruppe anzuschließen. In der Ausreißerwertung des Giro stehen für Lang 219 km und damit eine Top-10-Platzierung zu Buche. Zum ganz großen Coup hat es allerdings auch bei ihm nicht gereicht. „Es gehören Glück und Zufall dazu, dass man sich in einer Gruppe befindet, die um den Tagessieg mitfahren kann“, meint Lang. Aus der Anonymität des Pelotons können Lang, der frühere deutsche Zeitfahrmeister, und Gretsch am Sonntag heraustreten. Bei dem 26 km langen Einzelzeitfahren dürfte selbst Alberto Contador in ihre Reichweite gelangen. Für einen Tag berühren dann die Überlegungen, ob der mit einem Dopingverfahren belastete Contador zu Recht oder zu Unrecht am Giro teilnimmt, auch ihren Arbeitsalltag. Contador wollte nach der anvisierten Verschiebung des Verfahrens am Sportgerichtshof CAS keine Auskunft über einen etwaigen Tourstart geben. Sein fröhlich-entschlossener Gesichtsausdruck ließ aber vermuten, dass er genau das im Sinn hat und seine Anwälte schon an einer Begründung seines Startrechts arbeiten.

TOM MUSTROPH