Wer die Muslime repräsentiert
: KOMMENTAR von DANIEL BAX

Der Streit war programmiert. Als Wolfgang Schäuble im vergangenen Jahr zur ersten „Islamkonferenz“ rief, achtete er sorgfältig darauf, dass die großen muslimischen Verbände und deren Funktionäre in der Minderheit waren. Um dies sicherzustellen, lud er eine Menge unabhängiger und säkularer Köpfe an den Verhandlungstisch, die nun ein starkes Gegengewicht zu den eher konservativen Verbänden bilden. So weit, so pluralistisch. Aber wer repräsentiert denn nun die breite Mehrheit der Muslime?

Sicher hatte Wolfgang Schäuble recht, als er schon vor Beginn des gestrigen Treffens sagte, dass die vier großen Verbände nicht die Alleinvertretung der deutschen Muslime beanspruchen könnten. Ob er aber auch gut beraten war, ihre Bedeutung gleich so klein zu reden, wie er es getan hat, ist eine andere Frage. Denn noch mehr als für die Verbände gilt sein Einwand ja für alle Teilnehmer der Islamkonferenz: Die meisten verdanken ihr Mandat, für „die Muslime“ zu sprechen, allein Wolfgang Schäuble selbst.

Inzwischen ist der Streit um die Richtung und den Sinn der Islamkonferenz voll entbrannt. Er zeigt, wie schwer es ist, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Wolfgang Schäuble sollte sich deshalb möglichst bald von der Vorstellung verabschieden, über seine Islamkonferenz zu einer Gesamtvertretung aller Muslime in Deutschland zu kommen. Es ist völlig illusorisch zu glauben, dass sich ein Gremium erfinden ließe, von dem sich eine hauptberufliche Islamkritikerin wie Necla Kelek und der durchschnittliche Moscheegänger im gleichen Maße repräsentiert fühlen würden.

Das Problem ist, dass die überwiegende Mehrheit der Muslime an keine Organisation gebunden ist. Die vier großen Verbände haben sich dagegen zu einem gemeinsamen „Koordinierungsrat“ zusammengerauft und können nun immerhin für die Mehrheit jener eher konservativen Gläubigen sprechen, die Mitglied in einer Moscheegemeinde sind. Aus diesem Dilemma gibt es nur einen Ausweg: Auch die ungebundenen Muslime müssen sich organisieren und zu Interessengruppen zusammentun. Sonst dürfen sie sich nicht beschweren, wenn die bestehenden Verbände den Ton angeben.