Der nachtaktive Südwest-Metaller

Es gibt ein hartnäckiges Vorurteil über Tarifverhandlungen: Abschlüsse müssen immer nach Mitternacht getätigt werden, nach einem Verhandlungsmarathon. Jörg Hofmann, 51, Bezirksleiter der IG Metall in Baden-Württemberg, muss lachen, wenn er dieses Vorurteil hört. Er begegnet ihm mit einem Witz über den Abschluss 2006 in Nordrhein-Westfalen, der tatsächlich nach 24 Uhr erzielt wurde: „Da mussten sie eben dort mal üben, wie es ist, eine Nacht durchzuverhandeln.“

Das ist nicht böse gemeint gegenüber den Kollegen aus Nordrhein-Westfalen. Hofmann hat immer gesagt, dass der Abschluss auch in einem anderen als dem traditionellen Pilotbezirk Baden-Württemberg erfolgen könne. Der Witz ist aber schon Ausdruck von Selbstbewusstsein: Es ist kein Zufall, dass die entscheidende Tarifverhandlung für die 3,4 Millionen Beschäftigten der deutschen Metallindustrie heute im Südwesten stattfindet.

Hofmann steht dem mächtigsten Bezirk der IG Metall vor. Er ist mit 800.000 Beschäftigten der größte, mit der Automobilindustrie (DaimlerChrysler, Porsche etc.) der produktivste, mit einem hohen Organisationsgrad der schlagkräftigste. Hofmann ist aber keiner, der diese Macht unbedingt ausspielt gegen die Arbeitgeber. Er sagt zum Beispiel: „Die Stärke der Gewerkschaften beweist sich in der schwierigen konjunkturellen Situation. Da müssen Löhne und Arbeitsbedingungen verteidigt, gesichert und stabilisiert werden.“ Derzeit herrscht gute Konjunktur.

Es ist nicht so, dass er nicht den Arbeiterführer geben könnte. Tut er es, dann ist er geradezu ein Bilderkönig. Sagt so Sätze wie: „Was die Arbeitgeber geboten haben, ist Magerquark – da muss noch viel Speck dazukommen.“ Aber gerade die Arbeitgeber schätzen ihn, weil er ein sachlicher und kompetenter Argumentierer sei.

Und Hofmann muss den Mitternachtsmarathon, der heute ansteht, nicht mehr üben. Der diplomierte Agrarökonom hat, noch als Tarifsekretär seines Vorgängers und jetzigen IG-Metall-Vizes Berthold Huber, am Entgeltrahmentarifvertrag zur Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten mitgewirkt. Und als Bezirksleiter 2004 das bahnbrechende „Pforzheimer Abkommen“ ausgehandelt, das es Betrieben erleichtert, von Tarifstandards abzuweichen.

Und wenn ihm der anstehende Abschluss gelingt? Es hält sich auch hartnäckig ein Vorurteil, dass Gewerkschafter und Arbeitgeber dann schon mal zusammen ein Bier an der Hotelbar trinken. Er findet es sinnvoll und angemessen, dass sich die Distanz auch nach einem Abschluss fortsetze, sagt Hofmann. Und: „Ich gehe dann ins Bett.“ THILO KNOTT

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