Der US-Kongress feiert Benjamin Netanjahu

USA Israels Regierungschef grenzt sich in Sachen Nahost-Friedenprozess eindeutig von den Vorstellungen Obamas ab. Das bringt ihm viel Zustimmung ein – nicht nur der republikanischen Abgeordneten

78 Prozent der amerikanischen Juden standen 2008 noch hinter Barak Obama

AUS WASHINGTON ANTJE PASSENHEIM

Vor dem republikanisch dominierten US-Kongress hat Israels Premier Benjamin Netanjahu den amerikanischen Präsidenten in die Schranken gewiesen. Friedensprozess ja – aber nicht nach den Vorstellungen von Barack Obama, erklärte er am Dienstag in einer Rede im Kapitol – und wurde gefeiert wie ein König.

29-mal riss es die Abgeordneten beider Parteien von ihren Sitzen, während Netanjahu jovial mit den Muskeln spielte. Er düpierte Obama und dessen Vize Joe Biden, indem er ihnen mit Komplimenten schmeichelte, scherzte mit Abgeordneten, blieb ansonsten jedoch hart.

„Jerusalem wird niemals geteilt“ machte er klar. Israel werde einer Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge in den jüdischen Staat niemals zustimmen. Genauso wenig wie dem Grenzverlauf von 1967, den Obama fünf Tage zuvor in seiner Nahost-Rede von Israel gefordert hatte. „Ich bin zu schmerzvollen Kompromissen bereit, um diesen historischen Frieden zu erreichen“, sagte Netanjahu. Israel werde dazu „gezwungen sein, Teile unseres angestammten jüdischen Heimatlands aufzugeben“.

Erstmals räumte Netanjahu die Möglichkeit ein, dass einige jüdische Siedlungen am Ende außerhalb der Grenzen von Israel liegen könnten. Sein Land werde aber nicht mit einer Regierung verhandeln, „die von einer palästinensischen Version von al-Qaida unterstützt wird“, sagte er mit Blick auf die Kooperation der palästinensischen Regierungspartei Fatah mit der radikalen Hamas. „Israel wird nicht der letzte, sondern der erste Staat sein, der einen Palästinenserstaat als neues Mitglied der Vereinten Nationen begrüßt“, sagte Netanjahu, der nach Washington gereist war, um gegen ein entsprechendes Votum vor der UN-Vollversammlung zu Felde zu ziehen.

Nach der eisigen Begegnung mit Präsident Obama war Netanjahu tosender Applaus im Kongress sicher. Im Parlament stehen die Zeichen auf Wahlkampf, und die Konservativen wittern Morgenluft: Sie buhlen um eine der dicksten Cash-Kühe für Spenden: die amerikanischen Juden. 78 Prozent dieser Wählerschaft hatte 2008 hinter Obama gestanden. Viele von ihnen sind sich nach seiner Nahost-Rede nicht mehr sicher. „Er hat versucht, Israels Verhandlungsspielraum zu reduzieren, und dafür verurteile ich ihn“, sagte ein Obama-Financier von 2008, der New Yorker Exbürgermeister Ed Koch der Nachrichtenagentur Reuters.

Besonders die mächtige konservative Pro-Israel-Lobbygruppe Aipac gilt als „Geldautomat“ für Wahlkämpfer. „Aipac sammelt Geld, um es Kandidaten zu geben, die die rechtslastigste und die israelische Regierungspolitik der Hardliner unterstützen“, kritisiert Jesse Bacon von der Graswurzelorganisation Jewish Voice for Peace. Zahlreiche demokratische und linkere Gruppen amerikanischer Juden sind dieser Meinung. Sie applaudierten Obama für seine harte Linie zu Israel.

Der Kongress hingegen demonstrierte am Dienstag Eintracht mit Netanjahu. Nach dessen Rede versammelten sich die Führer beider Kammern und Parteien zum Fototermin mit dem israelischen Staatsgast.

Nicht nur Konservative gingen in Nahost-Fragen auf Distanz zu ihrem Präsidenten. Auch der demokratische Senats-Mehrheitsführer Harry Reid ließ keinen Zweifel an seiner kritischen Haltung. „Niemand sollte voreilige Parameter an Grenzen, Baumaßnahmen oder irgendwas anlegen“, sagte er.

Die demokratische Chefin im Abgeordnetenhaus, Nancy Pelosi, schmeichelte Netanjahu noch unverblümter. „Ich denke, die Reaktion auf Ihre Rede hat gezeigt, dass unsere Kollegen von beiden Seiten des Ganges und beiden Seiten des Kapitols denken, dass Sie den Friedenskurs vorangebracht haben.“

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